Von Mickey Mouse, Bambi und dem Froschkönig

Mickey Mouse, Bambi et le Roi Grenouille

Wie Tiere in Lernmedien dargestellt werden | ANGELA THOMASIUS

Bildungsmedien spiegeln gesellschaftliche Aktualitäten, Normen und Werte – auch in der Darstellung von Tieren. Stereotypen und Hierarchien in der Mensch-Tier-Beziehung beeinflussen, wie wir Tiere wahrnehmen und wie wir uns verhalten. Eine sorgfältige Auswahl der Bildungsmedien im Kontext von BNE ist daher essenziell.

Tiere werden in der Kinder- und Jugendliteratur häufig als Leit- oder Identifikationsfiguren eingesetzt. In der Rolle als Gefährten, Heldinnen oder Ratgeber schaffen sie altersgerechte und emotionale Zugänge zu verschiedenen Themen. Auch für grafische Zwecke eignen sich Tiere besonders, da Geschlecht, Alter oder Hautfarbe je nach thematischem Kontext zweitrangig sind. Tiere als Protagonisten beflügeln die Fantasie und lassen Raum für eigene Interpretationen, insbesondere da Tiere in der realen Welt nicht sprechen und ihre Gedanken nicht offenbaren können. In Lernmedien für ein jüngeres Publikum werden Tiere oft anthropomorph dargestellt. Das heisst, sie führen beispielsweise einen menschenähnlichen Alltag (Mickey Mouse), interagieren mit Menschen (Peter Hase) oder werden selbst zum Menschen (Froschkönig). Meist können sie sprechen und werden mit kindlichen Körper- und Gesichtsproportionen dargestellt, was die Identifikation beim Zielpublikum erleichtert und eine emotionale, zuwendende Beziehung fördert.

Bekommen wir da nicht ein falsches Bild von Tieren?

In tierethischen Diskussionen wird immer wieder kritisiert, dass ein Grossteil der Gesellschaft ein verzerrtes Bild von Tieren hat. Gerade in Repräsentationen mit Nutztieren zeigt sich eine grosse Kluft in der Mensch-Tier-Beziehung: Während in einigen Lernmedien die Perspektiven der Massentierhaltung oder Tiermisshandlung direkt angesprochen werden, versuchen andere Lernmedienentwickelnde das Mensch-Tier-Verhältnis durch positive Verstärker zu fördern und lassen bewusst negativ konnotierte Darstellungen und Bezüge weg. Ein genaues Hinschauen lohnt sich, um verzerrte Bilder zu erkennen und mögliche Botschaften und Hintergründe zu erörtern.

Wie real sollen Tierdarstellungen sein?

In Lernmedien, in denen Tiere als Leit- oder Identifikationsfigur auftreten und keine naturwissenschaftlichen Fakten aufgearbeitet werden, besteht die Gefahr, dass Tiere verzerrt oder wissenschaftlich inkorrekt dargestellt werden. Das kann zu Fehlkonzepten bei Schülerinnen und Schülern führen. Ist es schlimm, dass Bambi sowohl als Rehkitz als auch als Hirschkalb dargestellt wird, dass Fred Feuerstein mit Dinosauriern zusammenlebt oder die Ratte in Ratatouille sich als Koch etabliert? Solche verzerrten Darstellungen können durchaus pädagogisch sinnvoll genutzt werden: Sie eröffnen beispielsweise Ausgangspunkte für weiterführende Recherchen und Diskussionen und fördern unter Anleitung das kritische Denken. Die Lehrperson muss aber stets überlegen, was genau mit der Analyse von Fehlkonzepten gelernt und gefördert werden soll.

Was kann über die Darstellung von Tieren erlernt werden?

Bildungsmedien sind ein Spiegel der Gesellschaft. Filmklassiker wie Bambi (1942), 101 Dalmatiner (1961) oder König der Löwen (1994) – wenn auch zu ihrer Zeit nicht als Filme für den Schulunterricht konzipiert – zeigen auf, mit welchen gesellschaftspolitischen Fragen, Normen und Werten sich die Leute in dieser Zeit beschäftigten. Anknüpfende Themenbereiche wie Sicherheit, Selbstwirksamkeit, Tierhaltung oder funktionierende Ökosysteme sind auch heute noch aktuell. In Neuauflagen und -verfilmungen werden gesellschaftspolitische Veränderungen sichtbar: Menschen werden diverser dargestellt, zwischenmenschliche Beziehungen mehrperspektivisch beleuchtet, gesellschaftskritische Statements verwendet oder neue Forschungserkenntnisse integriert. Daraus ergeben sich folgende Reflexionsfragen: Ist bei Tierdarstellungen auch ein Wandel erkennbar? Implizieren Lernmedien, deren Tiere einer menschlichen Tätigkeit nachgehen, den Eindruck, dass sie die Welt so sehen wie Menschen? Wie wissen wir, was Tiere wollen und brauchen?

Was ist im Sinne eines BNE-Unterrichts zu beachten?

Lernmedien werden mehrheitlich aus der Sicht von Erwachsenen entwickelt. Dazu braucht es Fragen und Aufgaben, welche die Sichtweise von Kindern und Jugendlichen einbeziehen. Was eine Lehrperson anspricht, ist nicht automatisch für ihre Schülerinnen und Schüler gleich attraktiv oder geeignet. Eine sorgfältige Auslese von Lernmedien ist wichtig, um einen möglichst wertefreien, entwicklungs- und stufenorientierten Unterricht zu unterstützen.

Medien, besonders für Kinder und Jugendliche, spielen eine bedeutende Rolle dabei, wie Tiere und ihre Beziehung zu Menschen dargestellt werden. Diese Darstellungen beeinflussen die gesellschaftliche Sicht auf die Mensch-Tier-Verhältnisse, können bestehende Ansichten festigen oder neue ermöglichen. Neben der sorgfältigen Auswahl eines geeigneten Lernmediums ist auch die Dekonstruktion von Mensch-Tier-Darstellungen aus der Perspektive des Zielpublikums wichtig. Dabei werden sich die Schülerinnen und Schüler der Grenzen zwischen Mensch und Tier bewusst und setzen sich mit ihren eigenen Standpunkten und Meinungen auseinander. Im Sinne eines BNE-Unterrichts geht es auch darum, das Gelernte im Alltag nachhaltig umzusetzen. Deshalb ist es ebenso wichtig, kritisch zu analysieren, wie man selbst Tiere wahrnimmt und gegenüber Tieren handelt (oder in Zukunft zu handeln gedenkt), und Darstellungen und Hintergründe in Bildungsmedien zu hinterfragen. Dabei können folgende Fragen hilfreich sein:

  • Wie oder in welcher Rolle oder Funktion werden die Tiere dargestellt?
  • Wie werden Hierarchien innerhalb von Mensch-Tier-Beziehungen dargestellt?
  • In welcher Weise beeinflusst das Lernmedium unsere Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber Tieren?
  • Inwiefern ermöglicht das Lernmedium eine kritische Reflexion über bestehende Konstruktionen von Mensch-Tier-Beziehungen?
  • Wie sollten Tiere in Lernmedien dargestellt werden?

Quellen:
– Brucker, R., Bujo, M., Mütherich, B., Seeliger, M., Thieme, F. 2014. Das Mensch-Tier-Verhältnis. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH.
– Britta von Leseliebe : Warum Kinder Tiere (im Kinderbuch) lieben. Abgerufen unter : https://www.leseliebe.de/artikel/warum-kinder-tiere-im-kinderbuch-lieben (dernière consultation : 13.2.2024).
– Von Ascheraden, A. 2016. Für Kinderbücher eignen sich Tiere besser als Menschen. Tierwelt / 15.