Die Bedeutung der Kooperation für ein nachhaltiges Teilen der Gemeingüter

Praxisbeispiele
  
Praxisbeispiele | DR. JESSICA FRANZONI

Was passiert, wenn Güter einer Gemeinschaft zur Verfügung gestellt werden? Wie kann man eine nachhaltige Zusammenarbeit im Bereich der Gemeingüter erlangen? Zwei Beispiele zeigen auf, wie sich Kooperation und Nachhaltigkeit in der Schule vereinbaren lassen.

Wir sind ständig von Dingen umgeben, die wir «(Gemein)Güter» nennen können. Obwohl diese eigentlich zum Alltag eines jeden Menschen gehören und es scheinbar völlig klar ist, worum es sich dabei handelt, sind sie in der Praxis nur äusserst schwer zu erklären. Insbesondere wenn es um ihre diversen Bezeichnungen – «commons», Gemeineigentum, Gemeinschaftliches – und um ihre wirtschaftlichen Auswirkungen geht.

Dazu haben vor Kurzem einige italienische Forscher (des Centre d’Economie de la Sorbonne) klärende Informationen geliefert. In ihrer Studie «Il Comune come modo di produzione. Per una critica dell’economia politica dei beni comuni» («Die Kommune als Produktionsweise. Eine Kritik der Wirtschaftspolitik der Gemeingüter») benutzen die Autoren das Wort «Kommune» als Allgemeinbegriff, der andere Formen miteinschliesst, darunter eben auch Gemeingüter, die nicht als Gesamtheit von klar definierten Ressourcen bezeichnet wird, sondern eben als Teil des Gemeinschaftlichen. Letzteres wird schliesslich als Prozess, als «Produktionsweise» betrachtet. Genau diese umfassende und moderne Bedeutung ist grundlegend für unsere Ausführungen. Dabei geht es uns mehr darum, «wie» dieser Prozess abläuft, als darum, «was» dabei behandelt wird.

Gemeingüter und Nachhaltigkeit

Was haben ein Dorsch, die Luft, die wir atmen, und Werte gemeinsam? Generell betrachtet handelt es sich in jedem Fall um «(Gemein)Güter». Sie alle müssen, wenn auch auf unterschiedliche Art – und im Sinne des oben erwähnten Gemeinschaftlichen– vertiefend thematisiert werden, auch hinsichtlich ihrer Nutzung im Rahmen eines nachhaltigen Wirtschaftens. In erster Linie in der Schule!
Wie können also Gemeingüter in diesem Sinne bewirtschaftet werden? Wie macht man das in der Schule? Welche Kompetenzen sind dazu erforderlich, und wie werden diese im Unterricht erworben?

Gemeingüter und Kooperation – Praxisbeispiele der BNE

Die Art, wie die Menschen die Gemeingüter bewirtschaften, beeinflusst ihre Art zu interagieren. Denn die Pflege der Gemeingüter fördert und erfordert ein kooperatives Verhalten. Eine erfolgreiche Kooperation wiederum braucht Werte und Kompetenzen wie die Bereitschaft, etwas zu teilen und zu diesen Dingen Sorge zu tragen, auch wenn sie uns nicht gehören. Wie kann man also Kooperation, Nachhaltigkeit und Gemeingüter erfolgreich miteinander kombinieren? In diesem Zusammenhang gibt es ein gutes Beispiel aus einer Schule in Sursee. Kinder (bis zu 12 Jahren), Lehrpersonen, Quartieranwohner usw. wurden eingeladen, mit Ideen, Wünschen und konkreten Vorschlägen aktiv an der Gestaltung des neuen Aussenareals des Schulhauses teilzunehmen. Dieser Einladung sind die meisten gefolgt. Ebenso haben sie in der Folge an der Realisierung dieses Platzes teilgenommen. So war es möglich, einen gemeinsamen Ort im Quartier zu schaffen, wo man sich trifft, wo man spielen und sich wohlfühlen kann. Ein Ort, der so sehr den Bedürfnissen und Ansprüchen aller entspricht, dass er noch heute regelmässig auf verschiedene Weise und von unterschiedlichen Gruppen genutzt wird. Ein Ort, der lebt und sich ständig weiterentwickelt.

In Zürich wurde ein Forschungslabor zum Thema Landwirtschaft und nachhaltige Ernährung ins Leben gerufen. Dieses beinhaltet abwechselnd Theorieunterricht (über den biologischen Anbau) in der Klasse sowie in der Gartenkooperative und praktische Lektionen zum Anbau und zur Ernte von Gemüse sowie zur Zubereitung einer Mahlzeit für die Familien der Lernenden (des Zyklus 2). So konnten die Schülerinnen und Schüler das Resultat ihrer Arbeit präsentieren, und dies zur grossen Befriedigung aller.

Beide Beispiele zeigen, dass es möglich ist, gemeinsam in einem kooperativen und partizipativen Prozess eine Herausforderung anzugehen, um ein Ziel zu erreichen. Alle in die Projekte involvierten Personen – von den Kleinsten bis zu den Grossen, von den schulischen bis zu den ausserschulischen Akteuren – waren miteinbezogen und haben aktive und kreative Beiträge geleistet. Dadurch fühlten sie sich als Teil einer Gruppe, in der sie sich verantwortungsvoll gegenseitig unterstützten. Die Schule und deren Umfeld wurden so wichtige Orte der Begegnung und des Austauschs.

Wir bewegen uns hier zwar in einem sehr grossen und komplexen Bereich und dies aus dem Blickwinkel einer Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Und doch ist es gerade die Schule in Sursee, die vorbildlich zeigt, wie ein Schulareal als Gemeingut betrachtet werden kann und wie ein solches Gemeingut die Zufriedenheit aller Benutzer dieses Aussenraums steigert, zumal sie Ressourcen und Erfahrungen ins Netz stellen können. Egal ob es sich um ein Quartier, einen Gemüsegarten oder sonst etwas handelt, wichtig ist der Prozess, der in gemeinsamem Handeln zum fertigen Produkt führt. Kompetenzen wie Zusammenarbeit, Kreativität und Verantwortung sowie Handlungsprinzipien (siehe Qualitätskriterien Schulnetz21) wie Partizipation und Empowerment scheinen das Erfolgsrezept auszumachen, das das Gemeinschaftliche als das Ergebnis der Arbeit aller anerkennt, und auch als die «Produktionsweise» einer nachhaltigen Gesellschaft. Umso mehr als dieses Ergebnis sichtbar und äusserst stimulierend und befriedigend ist: Jede und jeder kann vor Ort einen Teil dessen sehen, was sie oder er der ganzen Gemeinschaft zur Verfügung gestellt hat.