BNE-Verständnis von éducation21

BNE: Sinn, Ziel und Zweck von BNE

Worum geht es?

BNE stellt einen Beitrag der Bildung zum gesellschaftlichen Vorhaben der nachhaltigen Entwicklung dar, die mögliche Wege zum Umgang mit den ökologischen und sozialen Dringlichkeiten unserer Zeit erarbeitet. Der Zweck ist es, bei den Schülerinnen und Schülern «BNE-Kompetenzen» zu entwickeln, die sie in die Lage versetzen, die Komplexität der Welt zu erfassen, sie kritisch zu hinterfragen und allenfalls im Einklang mit ihren Werten und Möglichkeiten zu handeln. Durch pädagogische Innovationen und die Teilnahme am Diskurs über die Rolle der Schule und die Aufgaben der Bildung trägt BNE auch zur Schulentwicklung bei. 

Warum ist BNE in der öffentlichen Schule präsent?

Die nachhaltige Entwicklung ist in der Bundesverfassung (Artikel 2) verankert. BNE ist in allen dreien Schweizer Lehrplänen verankert und spiegelt den Beitrag der Bildung und der Schule zur nachhaltigen Entwicklung wider. Die Lehrpläne legitimieren die Umsetzung von BNE; Lehrpersonen können sich an ihnen orientieren.

Vorbereitung von BNE

«Grundzutaten» aus dem Lehrplan: Was brauche ich, um eine BNE-Sequenz vorzubereiten?

BNE ist kein traditionelles Schulfach, sondern ein fächerübergreifendes Vorhaben, das alle Fächer und Schulstufen miteinbezieht. BNE schöpft aus dem Wissen, den Kompetenzen, Methoden und Themen aller Fächer. Um eine BNE-Sequenz vorzubereiten, orientieren sich Lehrpersonen an den zu entwickelnden Kompetenzen, wählen ein Thema aus und integrieren es in ihren Unterricht oder ihre Schulfächer, indem sie deren Überschneidungen und gegenseitige Beiträge hervorheben. Für diese Vorbereitungsarbeit dient der Lehrplan als Bezugsrahmen. 

Schulspezifische «Bonus-Zutaten»: Wie kann ich einen Schritt weitergehen?

BNE wird sowohl im Unterricht, aber auch in der ganzen Schule umgesetzt, im Sinne eines «Whole School Approach», auch bekannt als ganzheitlicher institutioneller Ansatz. Kennzeichen eines WSA ist eine Kohärenz zwischen dem Gelernten und dem Gelebten. BNE wird demnach in allen Aspekten des Schullebens integriert: Pausenhofgestaltung, Essen aus der Schulkantine, Ressourcenverbrauch, usw. Die Lehrperson kann ihren BNE-Unterricht an diesen Schulaspekten anknüpfen. Ausserdem bieten gewisse Schulen eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Schulvision, BNE-Gefässe und Ressourcen, Partnerschaften und/oder Infrastrukturen und Einrichtungen, mit denen der Unterricht angereichert und verbunden werden kann.

Durchführung von BNE

Behandlung von Themen in BNE: Wie sollen die Themen in BNE angegangen werden?

BNE-Themen werden fragegeleitet behandelt, um die zugrunde liegende Komplexität und die Chancen und Herausforderungen sichtbar zu machen. Dafür bietet eine BNE-Frage, die dem Unterricht Orientierung verleiht, einen guten Einstieg. Die Themen werden im Hinblick auf die fünf Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung – Ökologie, Gesellschaft, Wirtschaft, Raum und Zeit – und unter Betonung der Interdisziplinarität betrachtet, um ein globales und systemisches Verständnis der Herausforderungen zu fördern. Im Sinne des WSA kann ein transdisziplinärer Ansatz angedacht werden. 

Schülerinnen und Schüler werden ermutigt, auf der Grundlage ihres Wissens und ihrer Überlegungen Narrativen und Visionen über eine wünschenswerte Zukunft (und mögliche Lösungsansätze) zu entwickeln, wodurch Kreativität, Reflexivität und Kooperation unterstützt werden. Die Partizipation auf Klassen- und Schulebene wird gefördert, um gemeinsam über Schülerinnen- und Schüleranliegen nachzudenken und ihre Ideen allenfalls und soweit möglich in die Praxis umzusetzen, und gleichzeitig das Leben in einer Demokratie zu üben. BNE bevorzugt einen starken Bezug zur Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler, um ihr Interesse zu fördern, ihrem Lernen einen Sinn zu geben und die praktische Anwendung des Wissens und der Kompetenzen zu fördern. Die behandelten Themen führen idealerweise zu ethischen Fragen – was halten wir für richtig, falsch, gut, böse usw. und auf welche Argumente können wir uns stützen? – und politischen Fragen – wie kann das Zusammenleben auf Klassen-, Schul- und allgemeinerer Ebene unter Berücksichtigung unterschiedlicher Prioritäten, Werte und Handlungsmöglichkeiten organisiert werden?

Bevorzugte Pädagogik in BNE: Welche Pädagogik für BNE?

BNE bevorzugt eine Lernerzentrierte, forschend-entdeckende und kooperative Pädagogik, die unter anderem Autonomie, kritisches Denken und Kommunikation fördern, allesamt BNE-Kompetenzen. BNE stützt sich auf gültige wissenschaftliche Fakten, um die Schülerinnen und Schüler in die Lage zu versetzen, verschiedene Lösungen im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung sachkundig und kritisch zu bewerten. BNE macht die Vielfalt der Werte- und Interessenkonflikte, die der Nachhaltigkeitsproblematik innewohnen, sichtbar und diskutiert sie, damit die Schülerinnen und Schüler sich eine begründete Meinung bilden, an gesellschaftlichen Debatten teilnehmen und auf persönlicher und kollektiver Ebene freie und informierte Entscheidungen treffen können. Dieser Ansatz fördert die Bewusstmachung von Denkmustern – Werten, Überzeugungen, Annahmen – und deren mögliche Infragestellung oder auch Transformation, schreibt aber keine Verhaltensweisen vor, die anzunehmen sind.

Haltung der Lehrperson in BNE

In Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen, Nachhaltigkeit, und Nachhaltige Entwicklung

Alle Lehrpersonen müssen BNE unabhängig von ihren persönlichen Überzeugungen in Übereinstimmung mit den Schweizer Lehrplänen in die Praxis umsetzen. Diese Umsetzung erfordert die Auseinandersetzung mit und den Erwerb von neuem Wissen (Fakten) im Zusammenhang mit den zu unterrichtenden Inhalten. Darüber hinaus müssen die Lehrpersonen ihre pädagogischen Kompetenzen weiterentwickeln, um BNE zu fördern (siehe bevorzugte Pädagogik). Da sich BNE mit komplexen, kontroversen, mit Werten und Emotionen geladenen Themen befasst, empfiehlt éducation21, dass Lehrpersonen BNE-Kompetenzen wie kritisches Denken, systemisches Denken und Selbsterkenntnis genauso entwickeln wie ihre Schülerinnen und Schüler. Diese Kompetenzen ermöglichen es ihnen, sich gegenüber verschiedenen Verständnissen von Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwicklung zu positionieren.   

In Bezug auf das BNE-Verständnis und die Rolle der Lehrperson

BNE ist faktenbasiert und bietet eine Pluralität von Standpunkten, damit die Schülerinnen und Schüler ihre kritische Kompetenz entwickeln, verschiedene Perspektiven auf Probleme bewerten, sich positionieren und an Diskussionen und/oder Entscheidungen teilnehmen können. Unabhängig von ihren persönlichen Überzeugungen setzen Lehrpersonen BNE um, ohne eine Ideologie oder einen zu erreichenden Zustand der Welt vorauszusetzen. Ihre Aufgabe ist es, verschiedene Positionen, Werte und Interessen im Zusammenhang mit einem Thema aufzuzeigen und dabei die Richtigkeit der vermittelten Fakten und die Qualität der Diskussionen zu gewährleisten. Die Lehrperson kann ihren Standpunkt teilen oder nicht. Wenn ja, sollte sie darauf hinweisen, dass es sich um eine von mehreren Meinungen handelt, und sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein.

In Bezug auf die Schülerinnen und Schüler

Um mit ihren Schülern und Schülerinnen im Rahmen von BNE zu interagieren, orientieren sich Lehrpersonen unter anderem am Beutelsbacher Konsens. Zwei Gebote davon sind besonders relevant. Nach dem Gebot «Verbot der Indoktrination» verzichtet die Lehrperson darauf, den Schülerinnen und Schülern ihre Meinung aufzuzwingen, so dass sie sich ihr eigenes Urteil bilden können. Nach dem Gebot der «Kontroversität» stellt die Lehrperson Themen, die in der Gesellschaft und in der Wissenschaft umstritten sind, auf kontroverse Weise im Unterricht vor. Weiter sind gemäss dem Grundsatz «Grenzen des Sagbaren» menschenverachtende Haltungen oder Menschenrechtsverletzungen nicht gleichwertig mit anderen kontroversen Positionen. Die Lehrperson fördert demokratische Werte, verteidigt die Menschenrechte und wendet sich gegen rassistische oder gewalttätige Äusserungen.

Kontakt

Dr. Isabelle Bosset
Direktion und Stab
Wissenschaftliche Grundlagen
+41 31 321 00 28