RSI EDU und éducation21: Gemeinsam für Bildung für nachhaltige Entwicklung

Interview Paolo Cortinovis et Fabio Guarneri

Wie kann man komplexe Themen wie den Wert des Wassers oder die globale Gesundheit in einem wenige Minuten dauernden Video erklären? Im Interview erläutern Paolo Cortinovis (RSI EDU) und Fabio Guarneri (éducation21) ihre einzigartige Zusammenarbeit. Sie kombinieren ihr Fachwissen, um ein Bewusstsein für nachhaltige Entwicklung zu schaffen.  

Paolo Cortinovis, Fabio Guarneri: Zu dieser Jahreszeit sind die Berggipfel weiss getüncht und viele Menschen schnallen jetzt die Skis an. Kann man die Leidenschaft für das Skifahren mit nachhaltiger Entwicklung in Einklang bringen?

Fabio Guarneri: Skifahren ist eine Leidenschaft, die ich persönlich nicht pflege. Aber es ist ein interessanter Sport, der zahlreiche Nachhaltigkeits- und Umweltfragen aufwirft, insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel. Um über diese Themen nachzudenken, ist es meiner Meinung nach unerlässlich, interdisziplinäres Wissen zu entwickeln und einen systemischen Ansatz zu wählen, um die aktuellen globalen Herausforderungen zu verstehen. Dies kann helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen, z. B. die Piste mit öffentlichen Verkehrsmitteln, statt mit dem eigenen Auto zu erreichen.

Paolo Cortinovis: Ich hingegen liebe das Skifahren, aber die Frage der Nachhaltigkeit stelle ich mir auch immer öfter. Ich stimme Fabio zu. Ich denke, es ist wichtig, das kritische Denken der jungen Menschen zu fördern. Ziel ist es, ihnen das nötige Rüstzeug zu geben, um alle Faktoren - wirtschaftliche, soziale und ökologische - zu berücksichtigen, damit sie entscheiden können, ob und unter welchen Bedingungen sie (weiterhin) Ski fahren wollen.

Das Ziel der Bildung für nachhaltige Entwicklung ist es, Kompetenzen zu vermitteln, damit junge Menschen fundierte und informierte Entscheide treffen können. Wie sensibilisiert man Kinder und Jugendliche, ohne moralisierend oder kleinlich zu wirken?

Fabio Guarneri: Junge Menschen für nachhaltige Entwicklung zu sensibilisieren bedeutet: Wir helfen, ein Bewusstsein zu entwickeln und einen Überblick über komplexe Themen zu geben, ohne zu urteilen oder Verhaltensweisen aufzudrängen. Ich finde es wichtig, ihnen Instrumente an die Hand zu geben und Diskussionen anzuregen, die sie motivieren, eigene Werte auf der Grundlage fundierten Wissens zu entwickeln. Dieser partizipative und interdisziplinäre Ansatz weicht vom klassischen Modell der Wissensvermittlung ab.

Paolo Cortinovis: Um das Bewusstsein fürs Thema zu schärfen, müssen wir den jungen Menschen Auswege und plausible Lösungen anbieten und dabei vermeiden, dass sie Zukunftsängste entwickeln. Während der RSI EDU-Workshops in den Klassenzimmern oder während der Dreharbeiten versuchen wir, uns in die Lage der jungen Menschen zu versetzen und daran zu denken, dass wir alle Teil des Problems sind.

«Junge Menschen für nachhaltige Entwicklung zu sensibilisieren bedeutet: Wir helfen, ein Bewusstsein zu entwickeln und einen Überblick über komplexe Themen zu geben, ohne zu urteilen oder Verhaltensweisen aufzudrängen.»
 

Um die Welt um uns herum zu erklären, hat das Schweizer Radio und Fernsehen seit einigen Jahren ein ganz neues digitales Produkt in seiner Angebotspalette. Worum handelt es sich dabei, Paolo Cortinovis?

Paolo Cortinovis: Bei den Videos handelt es sich um ein ausschliesslich digitales Produkt, das weder Fernsehen noch Radio ist. Es soll jungen Menschen übergreifende und komplexe Themen näherbringen und ihnen helfen, ihren Alltag besser zu verstehen. Mit kurzen Videos, die sich durch eine Sprache und einen Erzählstil auszeichnen, der der jungen Generation nahesteht, wollen wir auch Lehrpersonen und Eltern helfen, sich mit aktuellen Themen und Phänomenen zu befassen, die im Lehrplan oft keinen Platz finden. Als zum Beispiel vor zwei Jahren alle über künstliche Intelligenz sprachen, schlugen wir Videos vor, die in wenigen Minuten die Auswirkungen, die Risiken und das Potenzial dieser neuen Technologie erklären.

RSI - EDU

Vor etwa zwei Jahren kam es zu einer Zusammenarbeit zwischen RSI EDU und der Stiftung éducation21. Warum haben Sie sich für diese Zusammenarbeit entschieden?

Fabio Guarneri: Die Zusammenarbeit zwischen RSI EDU und der Stiftung éducation21 ist eher zufällig entstanden, hat sich aber im Laufe der Zeit gefestigt. Für uns war es eine Gelegenheit, Themen im Zusammenhang mit Bildung für nachhaltige Entwicklung auf einfache und innovative Weise zu verbreiten und das Bewusstsein dafür zu schärfen. Und dies mit Videos, die sich an Kinder und Jugendliche richten. Diese Videos helfen auch Lehrpersonen und Eltern BNE-Themen anzusprechen, zusammenzufassen oder auch zu vertiefen. Sie bereichern und vervollständigen ausserdem die Themendossiers von éducation21.

Paolo Cortinovis: Ich gebe zu, dass wir schon seit einiger Zeit ein Auge auf die Stiftung éducation21 geworfen haben, da sie ein nationaler Bezugspunkt für die Bildung für nachhaltige Entwicklung ist. Für RSI EDU bedeutet die Zusammenarbeit mit éducation21, dass wir unseren Inhalten mehr Sichtbarkeit verleihen und unser Zielpublikum - Schulen und Familien - besser erreichen können. Als sich die Gelegenheit bot, haben wir sie ergriffen, da wir darin eine einzigartige Möglichkeit sahen, unsere Videos und Inhalte zu verbessern.

«Die Zusammenarbeit mit éducation21 ermöglicht es uns, wissenschaftliche Korrektheit und didaktische Qualität zu gewährleisten und unsere Inhalte zu verbessern.»

Einen kritischen Geist entwickeln und Bewusstsein schaffen für die Komplexität unseres Lebens ist ein zentrales Ziel der Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Wie aber lassen sich komplexe Themen in wenigen Minuten erklären?

Paolo Cortinovis: Indem man sich an einfachen Situationen orientiert, die dem Alltag von Kindern und Jugendlichen nahe sind. Um in einem nur wenige Minuten dauernden Video den Wert des Wassers und das Konzept des «versteckten Wassers», d. h. des Wassers, das für die Herstellung von Konsumgütern verwendet wird, zu erklären, haben wir das Beispiel einer Jeans gewählt: Für ihre Herstellung wird eine Menge benötigt, die etwa 30 Badewannen entspricht und oft aus Ländern stammt, in denen diese Ressource bereits begrenzt ist. Für uns ist es wichtig, komplexe Sachverhalte zu vereinfachen und direkt auf den Punkt zu bringen. Wenn nötig, ziehen wir es vor, ein Thema in Unterthemen aufzugliedern und mehrere Videos zu erstellen, um es verständlicher zu machen.

Interview Paolo Cortinovis et Fabio Guarneri

Wie gestaltet sich die Produktion konkret, wie arbeiten die verschiedenen Experten zusammen? 

Fabio Guarneri: Der Prozess der Videoproduktion beginnt damit, dass wir uns über ein Thema austauschen, das für uns beide relevant ist, wie zum Beispiel Wasser oder globale Gesundheit.

Paolo Cortinovis: Der Inhalt dieser ersten Ideen wird in einem Drehbuch zusammengefasst. Mehrere Personen verfeinern dieses Skript anschliessend, bis hin zum sogenannten «Lesetisch», an dem die letzten Details, einzelne Begriffe und Adjektive noch justiert werden, um die Wirksamkeit und wissenschaftliche Korrektheit zu gewährleisten. Dann beginnt die kreative Phase, die von RSI EDU geleitet wird und in der Cover, Skizzen und andere Elemente in das Endprodukt integriert werden.

«Videos sollten nicht länger als drei Minuten sein: Die Herausforderung besteht darin,
komplexe Themen zu vereinfachen und auf den Punkt zu bringen.»

Was sind die wesentlichen Elemente, um ein komplexes Thema einfach und ansprechend zu gestalten? Welche kreativen oder innovativen Techniken setzen Sie ein, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen?

Paolo Cortinovis: Beginnen wir mit einer Annahme: Videos sollten nicht länger als drei Minuten dauern, da die Aufmerksamkeitsschwelle sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen sehr niedrig ist. Dies ist auf den Konsum von Videos in sozialen Netzwerken zurückzuführen. Wir verwenden junge Gesichter, jung genug, damit sich Teenager angesprochen fühlen, die aber etwas älter sind, um glaubwürdig zu wirken. Wir verwenden einen straffen Schnitt, der dem Tempo der Inhalte in den sozialen Netzwerken entspricht, und konzentrieren uns auf konkrete Bezüge zum Alltagsleben der jungen Generation. Die Sprache ist einfach, direkt und authentisch, aber niemals banal, und vermeidet gezwungene oder «cringe» Ausdrücke, ohne die Welt der Jugendlichen zu imitieren.

«RSI EDU ist für uns ein wichtiger Kanal, um die Themen der
Bildung für Nachhaltige Entwicklung zu verbreiten und zu fördern.»

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Zusammenarbeit zwischen RSI EDU und éducation21 eine fruchtbare Kooperation ist, die Experten in zwei verschiedenen Bereichen zusammenbringt: audiovisuelle Medien und Bildung für Nachhaltige Entwicklung.

Paolo Cortinovis: Für RSI EDU ist es nicht nur eine vorteilhafte, sondern auch eine strategische Zusammenarbeit. éducation21 bringt spezifisches Fachwissen ein und garantiert die Genauigkeit und Qualität der Inhalte, wobei sie auch deren didaktische Umsetzung prüft. Dies ermöglicht uns, zu wachsen und korrekte Materialien zu erstellen.

Fabio Guarneri: Für éducation21 ist RSI EDU ein wichtiger Kanal, um unsere Themen zu verbreiten und zu fördern. Gemeinsam bündeln wir verschiedene Kompetenzen, audiovisuelle und pädagogische, schaffen Synergien und tauschen Erfahrungen aus mit dem Ziel, ein breiteres Publikum zu erreichen. Dieses gemeinsame Ziel, zu informieren und zur Entwicklung von BNE-Kompetenzen beizutragen, bildet die Grundlage für eine für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit.

Paolo Cortinovis
Seit 2003 beim Schweizer Radio und Fernsehen, zuerst als Radioredaktor und dann als Leiter des Nachrichtenmagazins Baobab bei Rete Tre. Seit 2021 ist er im digitalen Bereich tätig, wo er das Angebot von RSI EDU koordiniert.

Fabio Guarneri
Seit 2014 bei éducation21, Kontaktperson für die Zusammenarbeit mit den Schulen, den Pädagogischen Hochschulen und dem Schulnetz21 für die italienische Schweiz und Koordinator der Arbeitsgruppe Giornata ESS.

Interview: Luca Beti

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