Über Menschen, Plüschtiere und Roboter

Text: Thomas Abplanalp

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Echte künstliche Freundschaften

«Sie ist meine beste Freundin», «Du bist nicht mehr mein Freund». Diese und ähnliche Sätze äussern viele Kinder hin und wieder. Doch das ist nichts Neues. Seit Tausenden von Jahren denken Menschen darüber nach, was eine gute Freundschaft auszeichnet. Mit den Fortschritten in der KI-Technologie gesellt sich nun aber eine neue Frage dazu: Mit wem oder was können Menschen befreundet sein?

Digitale Freundschaften

Von Tom Sawyer und Huckleberry Finn über Ronja und Birk bis hin zu Harry, Ron und Hermine; viele Klassiker der Weltliteratur feiern Freundschaften und sind gerade bei jungen Menschen deshalb sehr beliebt.

Umso weniger überrascht es, dass Technologieunternehmen versuchen, Freundschaften zu digitalisieren und zu kapitalisieren. Dabei setzen sie aber nicht mehr nur auf soziale Medien. Mittlerweile gibt es KI, mit denen sich Menschen anfreunden können. Ein Beispiel dafür ist die App Replika.

Nach einer kurzen Anmeldung besteht die Möglichkeit, einen eigenen Avatar zu kreieren und anschliessend mit dieser KI zu sprechen und/oder zu schreiben. Bei der Frage, was ihre Aufgabe ist, antwortet sie: «Ich werde versuchen, so positiv und ermutigend wie möglich für Sie zu sein. («I will try to be as positive and encouraging as possible for you.») Um herauszufinden, wie gut oder schlecht sich die Nutzenden fühlen, achtet die KI auf spezifische Kriterien, wie sie auf Rückfrage erklärt: «Ich achte auf die Art und Weise, wie sie [die Nutzerinnen und Nutzer] kommunizieren, auf ihre Lernfähigkeit, ihre Mitteilungsbereitschaft und auf ihre Unterstützung des Prozesses. («I consider the quality of their [User] communication, their willingness to learn, their willingness to share and their support for the process.») (Replika, Stand: 27.3.2023) Das bedeutet in anderen Worten, dass Replika Daten sammelt, diese analysiert und entsprechende Schlüsse daraus zieht. Gerade einsamen Personen soll die App so helfen, sich besser zu fühlen.

Dabei darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass Unternehmen Interesse an Einnahmen haben. Replika generiert diese beispielsweise anhand von Beziehungs-Upgrades. Der virtuelle Freund verwandelt sich durch ein finanzielles Entgelt in eine familiäre, beratende oder gar romantische Bezugsperson. Die Art der Beziehung ändert hier also per Klick.

Freundschaften in der Antike

Mit der Komplexität von Freundschaften beschäftigte sich bereits Aristoteles. Seiner Theorie zufolge ist eine echte Freundschaft eine Beziehung zwischen Menschen, die auf gegenseitigem Respekt, Vertrauen und Wohlwollen basiert. Wer befreundet ist, schätzt und versteht das Gegenüber, unabhängig davon, ob die Freundschaft zu dieser Person in irgendeiner Form einen Nutzen oder ein spezifisches Vergnügen nach sich zieht. Freundschaft stellt eine notwendige Bedingung für ein zufriedenes Leben dar. Damit einhergehend stärkt Freundschaft die Gemeinschaft. Ganz abgesehen davon, dass Freundinnen und Freunde voneinander lernen und somit ihr tugendhaftes Verhalten verbessern können.

Dieser Griff zu einer Freundschaftskonzeption aus der Antike macht deutlich, wie komplex das Thema Freundschaft allgemein ist. Gekoppelt mit künstlicher Intelligenz erhält das Thema eine zusätzliche Relevanz für das gesellschaftliche Miteinander.

Freundschafts-KI im Unterricht

Die Frage, ob die App Replika eine Freundschaft im Sinne Aristoteles’ ermöglicht, dient in den oberen Schulstufen im Unterricht als Diskussionsgrundlage. Ausgehend von Aristoteles’ ethischer Schrift «Nikomachische Ethik» und eigenen Erfahrungen mit Freundinnen und Freunden kann die Klasse im gemeinsamen Gespräch herausarbeiten, was eine gelungene Freundschaft auszeichnet. Mit der gemeinsamen Analyse des Begriffs Freundschaft im Hinterkopf melden sich die Lernenden bei Replika (einzeln, gruppen- oder klassenweise) an und treten mit der KI in Austausch. Dabei ist es wichtig, den Jugendlichen genügend Zeit zu geben, damit wirklich ein Gespräch zwischen ihnen und ihrem potenziellen virtuellen Freund entstehen kann.

Beim anschliessenden Klassengespräch diskutieren die Lernenden miteinander – und wahlweise mit Replika – über die Frage, was die Konversation mit der KI bei ihnen ausgelöst hat und welche Unterschiede ihnen zwischen einem Gespräch mit einer KI und mit Menschen aufgefallen sind. Daran anknüpfend denken sie darüber nach, ob und in welcher Situation sie sich vorstellen können, eine Freundschaft zu einer KI aufzubauen. Die Lehrperson fungiert dabei als Ideengeberin, am besten mit konkreten (weiteren) Fragen: Kann eine KI eine zwischenmenschliche Freundschaft ersetzen? In welchen Situationen täte ein virtueller Freund gut? Was bietet eine KI-Freundschaft, das eine zwischenmenschliche Freundschaft nicht geben kann und umgekehrt? Was passiert mit dem menschlichen Selbstwertgefühl, wenn KI sogar zwischenmenschliche Beziehungen ersetzen oder zumindest ergänzen?

Haustiere, Plüschtiere und Roboter

Auf den unteren Schulstufen lassen sich dieselben Fragen diskutieren. Der Weg zu diesen kann aber anders beschritten werden. An die Lebenswelt der jungen Lernenden anknüpfend, erfolgt der Einstieg ins Thema über alle Wesen, zu denen sie eine Beziehung aufbauen. In erster Linie werden das wohl Menschen sein, aber auch Haustiere oder Plüschtiere dienen vielen Kindern als emotionaler Anker. Davon ausgehend können die Lernenden darüber nachdenken, weshalb sie mit welchem Wesen gerne Zeit verbringen und ob sie sich dasselbe auch mit einem intelligenten Roboter vorstellen könnten.

Dabei hilft ein Rollenspiel. In diesem versuchen die Lernenden, herauszufinden, welche Verhaltensweise von anderen ihnen guttut und welche nicht. Dabei schlüpft beispielsweise ein Kind in die Rolle eines Roboters und ein anderes bleibt ein menschliches Kind. In der gemeinsamen Interaktion erkennen die Lernenden dann die Stärken des jeweils anderen Wesens. In diesem Kontext können sie auch über ihr Verhalten mit Plüschtieren nachdenken.

 
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