Delila Rai ist im zweiten Lehrjahr als Recyclistin
Text und Foto : Daniel Fleischmann
«Ich bin ein Teil der Kreislaufwirtschaft»
Sie sind die Fachleute der Kreislaufwirtschaft: Die Recyclistinnen und Recyclisten. Delila Rai ist im zweiten Lehrjahr, und sie findet es toll, dass sie ein Teil der Lösung der Probleme unserer Erde ist. Um Kreislaufwirtschaft geht es aber auch in allen anderen Berufen.
Die Schweiz gehört zu den führenden Nationen in Sachen Abfall. So viel Siedlungsabfall fällt in kaum einem anderen Land an, fast zwei Kilo täglich. Aber wir sind auch im Recycling gut. Die Sammelquote beim Papier beträgt 82%; bei PET-Flaschen werden 83% wiederverwertet, beim Glas sind es gar 99%. Das Recycling ist sogar ein Beruf: Recyclist. Jedes Jahr schliessen rund 35 Lernende die Lehre ab.
Kupfer in acht Sorten
Es ist ein kalter, sonniger Morgen im März. Delila Rai fährt mit dem Stapler einen Container über den Recyclinghof – eine ihrer liebsten beruflichen Tätigkeiten. Delila Rai ist im zweiten Lehrjahr als Recyclistin, und sie findet ihre Arbeit toll: «Eigentlich wollte ich etwas Künstlerisches lernen, aber dann entdeckte ich Recyclistin und den Betrieb, in dem ich jetzt meine Lehre mache. Ich finde es megacool, etwas für die Umwelt zu tun. Später möchte ich Umweltingenieurin werden.»
Schon am Anfang ihrer Lehre lernte Delila Rai, was Kreislaufwirtschaft ist. «Ich bin ein Teil davon», sagt sie stolz. In der Berufsfachschule lernte sie den Zyklus kennen: zuerst der Primärrohstoff, das Design, die Herstellung und der Konsum, dann die Sammlung, die sekundäre Triage und die Aufbereitung, schliesslich die Lagerung, der Verlad und der erneute Einsatz. Gut die Hälfte der Siedlungsabfälle wird so wiederverwertet, die andere verbrannt. Das verlange viel Sachwissen, sagt Delila Rai: «Kupfer existiert in acht verschiedenen Sorten. In der Ausbildung lerne ich, sie zu unterscheiden.» Das Auftrennen von Kupferdraht und Kunststoffmantel gehört zu den Aufgaben von Delila Rai.
Roland Habermacher zählt zu den Pionieren des Berufs Recyclist. Als die Lehre im Jahr 2000 lanciert wurde, war er einer der ersten Lernenden; heute ist er Projektleiter von Swiss Recycling (Dachverband der Recycling-Organisationen), Berufskundelehrer und Co-Autor der aktuellen Bildungsverordnung Recyclist/in EFZ. «Wir verbrennen noch immer zu viele Wertstoffe», sagt er, «an die Entsorgung und Wiederverwendung wird bei der Entwicklung von Produkten zu wenig gedacht.» Swiss Recycling hat darum die Drehscheibe Kreislaufwirtschaft Schweiz gegründet; sie erarbeitet mit Partnern der gesamten Wertschöpfungskette (Herstellern, Detailhandel, Recyclern) neue Lösungen, damit Verpackungen und Produkte möglichst gut im Kreislauf gehalten werden können. Zu den Dienstleistungen gehören auch Unterrichtsmaterialien für die Schule.
Jeder Beruf kommt unter die Ökolup
Die Anstrengungen von Swiss Recycling passen in die Bemühungen der Bundesämter für Umwelt (BAFU) beziehungsweise Energie (BFE), ökologische Themen in der Berufsbildung zu stärken. Die Sektion Umweltbildung analysiert bei jeder Berufsentwicklung Schnittstellen zu Umwelt-, Energie- und Klimathemen und empfiehlt entsprechende Kompetenzen für die Lernenden. Verpackungstechnologen EFZ etwa sollen lernen, Packmittel zu entwickeln, die energieeffizient hergestellt werden können und eine möglichst geringe Wirkung auf Umwelt und Klima aufweisen. Das Gleiche passiert auch in der höheren Berufsbildung. Nadine Gehrig, Fachspezialistin Umweltbildung, sagt: «Immer mehr Branchen schätzen es, dass das BAFU und das BFE sie bei der Formulierung von Umwelt-, Klima- und Energiekompetenzen unterstützen.»
Das BAFU unterstützt zudem umweltbezogene Projekte in der Berufsbildung. Ein Beispiel ist eine App «Food Save», eine andere das Online-Lehrmittel «Future Perfect», das im allgemeinbildenden Unterricht (ABU) eingesetzt werden kann. Future Perfect besteht aus 20 bis 50 Lektionen und lässt sich flexibel an die Schullehrpläne und die Präferenzen der Lehrpersonen anpassen. «Der ABU erlaubt es, Themen wie Kreislaufwirtschaft allen Lernenden zugänglich zu machen», sagt Nadine Gehrig. Das passt zu den Zielen der aktuellen Revision des ABU, in der «Nachhaltige Entwicklung» als Megatrend figuriert