Neue Ausbildungen, neue Berufe

Text:  Dr. Isabelle Dauner Gardiol, éducation21; Dr. Kerstin Dümmler, Eidgenössische Hochschule für Berufsbildung EHB

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Welche Kompetenzen braucht es für den Übergang in eine nachhaltigere Arbeitswelt?

Einen Beruf im Gleichschritt mit dem technologischen Wandel und den Anforderungen des Marktes weiterzuent­wickeln, scheint eine Herausforderung zu sein. Dasselbe gilt für seine Anpassung an die Anforderungen der nach­haltigen Entwicklung. Um diese Entwicklung zu verstehen und an ihrer Umsetzung mitzuwirken, benötigt man einerseits Wissen über globale Herausforderungen wie Klimawandel, Energiewende oder soziale Ungleichheit und andererseits Kompetenzen und die Bereitschaft, Produktions­ und Arbeitsprozesse anzupassen. Es reicht nicht, einfach nur Bildungspläne zu ändern. Auch die Art und Weise, wie ein Beruf vermittelt und erlernt wird, muss überdacht werden.

Bildung und Arbeitswelt sind gefordert

Unsere heutige Welt ist mit globalen Herausforderungen konfrontiert, wobei Klimawandel, Armut, Kriege und Pandemien wohl die deutlichsten sind. Insbesondere die Arbeitswelt steht vor der Aufgabe, sich anzupassen und den Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung besser gerecht zu werden, denn diese globalen Probleme sind auch mit unseren Produktions- und Konsummustern verbunden. So verlangt die notwendige Energiewende beispielsweise nach neuen Berufen.

Beispiele dafür sind die zukünftigen Berufslehren Solarmonteur/in EBA und Solarinstallateur/in EFZ, die 2024 eingeführt werden sollen. Im Jahr 2011 wurde mit der Organisation der Arbeitswelt (OdA) Umwelt gar eine spezielle Organisation der Arbeitswelt zur Förderung der Umweltberufe gegründet. In den Bereichen Energie, Bau oder Mobilität, die sich am stärksten auf die Umweltbedingungen auf der Erde auswirken, scheint die Entwicklung neuer Ausbildungen und Berufe unausweichlich zu sein, auch wenn im Rahmen der Reformen der bestehenden Bildungspläne zahlreiche Anpassungen vorgenommen werden (Wettstein 2021).

In anderen Branchen, vor allem im Dienstleistungssektor, sind die Verbindungen zur nachhaltigen Entwicklung weniger deutlich, aber nicht minder wichtig. Die Forderungen der Konsumentinnen und Konsumenten nach mehr Informationen über die Produktions- und Vertriebsbedingungen oder die Qualität der Produkte zeigen, dass sie daran interessiert sind, Kriterien wie Auswirkungen auf Umwelt, Gesundheit oder Menschenrechte zu berücksichtigen.

Im Jahr 2020 sprach sich eine Mehrheit der Schweizer Stimmberechtigten für die Unternehmens-Verantwortungs-Initiative aus, die unter anderem verlangte, dass grosse Unternehmen die Menschenrechte und die Umwelt respektieren. Gemäss dem Gegenvorschlag, der nach dem Scheitern der Initiative am Ständemehr angenommen wurde, müssen Unternehmen ab 2023 transparenter über die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit informieren.

Anpassung der Bildungspläne

Um die verschiedenen OdA dabei zu unterstützen, die Berufe und vor allem ihre Bildungspläne an die Anforderungen der nachhaltigen Entwicklung anzupassen und auf diese Weise Lernende in zukunftsorientierten Berufen auszubilden, hat das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) 2020 eine Orientierungshilfe zur nachhaltigen Entwicklung in der Berufsbil- dung veröffentlicht. Diese Publikation versteht sich als unverbindliches Instrument, das Erklärungen zu diesem Konzept enthält und eine Analyse vorschlägt, wie Berufe zur nachhaltigen Entwicklung beitragen können. Die Bundesämter für Umwelt und Energie bieten zusammen mit anderen Partnern – darunter éducation21 – finanzielle Unterstützung und Beratung für Akteure der Berufsbildung an, um die Kompetenzen im Bereich nachhaltige Entwicklung zu fördern, die zukünftige Berufsleute in der Arbeitswelt benötigen.

Im revidierten Bildungsplan für Detailhandelsfachleute beispielsweise gibt es nun neue Lernziele, die sich auf die Nachhaltigkeit beziehen, und dieser Begriff («Nachhaltigkeit», «nachhaltig» …) wird über zehn Mal genannt, im Bildungsplan für Kaufleute gar über 50 Mal. Diese beiden Berufe machen zusammen 25 Prozent der beruflichen Grundbildungen aus, die zu einem EFZ führen (BFS 2021). Von zukünftigen Detailhandelsfachleuten wird beispielsweise erwartet, dass sie «die Kundinnen und Kunden über Aspekte der Ökologie und Nachhaltigkeit in Bezug auf ihre Produkte und Dienstleistungen» informieren können (BDS 2021).

Und zukünftige Kauffrauen und Kaufmänner sollen unter anderem in der Lage sein, sich an Diskussionen in Unternehmen über «Themen der Ethik, Moral, Technologie, Ökologie, Nachhaltigkeit sowie des Rechts» zu beteiligen (skkab 2021). Die Anwendung von Massnahmen zur Förderung von Nachhaltigkeit, Ökologie und Gesundheitsschutz in den Arbeitsprozessen ist ebenfalls Teil dieser revidierten Bildungspläne.

Bildungsbedarf bei Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern

Diese Reformen und Initiativen sind zu begrüssen. Sie werden sich aber nur geringfügig auf die Kompetenzen der Lernenden auswirken, wenn die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner in den Betrieben, Berufsschulen und überbetrieblichen Kursen nicht in der Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) geschult sind. Es ist nicht einfach, einen derart komplexen Ansatz in die Berufsbildung zu integrieren. Dies gilt nicht nur für das Wissen über Nachhaltigkeit und Entwicklungspotenziale im eigenen Berufsfeld, sondern auch für eine an BNE angepasste Pädagogik und Didaktik.

Der Erwerb von Kompetenzen für eine nachhaltige Entwicklung erfordert beispielsweise den Einsatz von partizipativen Methoden, die die Reflexionsfähigkeit und Empathie sowie das kritische und komplexe Denken fördern und es den Lernenden ermöglichen, ihre beruflichen Praktiken im Sinne der Nachhaltigkeit zu gestalten und darauf auszurichten. An vielen Lernorten der Berufsbildung fehlt es noch an diesen Methoden. Es ist also noch ein weiter Weg bis zur angemessenen Integration von BNE in die verschiedenen Bereiche der Berufsbildung, um zum Übergang in eine nachhaltigere Welt beizutragen.

Literatur

BDS (2021). Bildungsplan zur Verordnung des SBFI vom 18. Mai 2021 über die berufliche Grundbildung für Detailhandelsfachfrau/Detailhandelsfachmann mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ).

SBFI (2020). Orientierungshilfe Nachhaltige Entwicklung in der Berufsbildung. Bern, 15. Dezember 2020.

BFS 2021: Berufliche Grundbildung: Basistabellen.

skkab (2021). Bildungsplan zur Verordnung des SBFI vom 16. August 2021 über die berufliche Grundbildung für Kauffrau/Kaufmann mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ).

Wettstein, F. (2021). Wie Berufsausbildungen grüner werden. Skilled Das Magazin der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung. Zollikofen, 2, 16.

 

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