Leitfaden Mystery

Didaktische Überlegungen und Einsatz im Unterricht im 1. Zyklus

 

Dieser Leitfaden soll Lehrpersonen bei der Gestaltung eines Unterrichtvorhabens im Rahmen der Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) mit Hilfe der Mystery-Unterrichtsmethode unterstützen.

Die Anregung für diesen Leitfaden stammt aus Agata Mariottis Bachelorarbeit «Il caso di Ernesto» («Der Fall Ernesto») aus dem Jahr 2020. Die daraus zitierten Beispiele ermöglichen ein besseres Verständnis der einzelnen Phasen zur Erarbeitung eines Mysterys. Mariotti thematisiert die Verschmutzung der Gewässer durch Abfälle, insbesondere durch Plastikmüll – eine Thematik, mit der sie sich im Rahmen ihrer Ausbildung in einer 2. Primarklasse in Agno auseinandersetzte.

Einführung

Das englische Wort «mystery» (Rätsel, Geheimnis) lässt sofort erkennen, was sich hinter dieser Methode verbirgt. Es handelt sich um einen spielerischen Ansatz, der die Tür zu einer Reihe von Verstrickungen und Rätseln öffnet. Die Schüler/innen müssen dabei eine komplexe Frage – die sogenannte Leitfrage – beantworten, indem sie anhand von Hinweisen ihre eigene Lösung konstruieren und damit argumentieren.

Die Mystery-Methode (éducation21, Leitfaden Mystery, S.2) wurde Ende der 1990er-Jahre von David Leat in Grossbritannien für den Geografieunterricht entwickelt. In den letzten Jahren haben sich diese Methoden auch in Deutschland verbreitet und wurden im Band «Diercke - Denken lernen mit Geographie » (Vankau u.a. 2007) zusammengefasst.

Die investigative Struktur dieser Methode ermöglicht es, die Denkfähigkeit zu trainieren indem Hypothesen gebildet, damit argumentiert und Ursachen- und Wirkungszusammenhänge erschlossen werden.

Warum eignet sich die Mystery-Methode für den BNE-Unterricht?

Die Mystery-Methode eignet sich insbesondere für den Unterricht im Rahmen der Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE), da sie sehr gut deren Komplexität verdeutlicht.

Mit diesem Ansatz werden die Kompetenzen der BNE (éducation21) geschult, wie z. B. «Zusammenarbeit: Fragen der nachhaltigen Entwicklung gemeinsam angehen», aber auch persönliche Fragen wie «Werte: über ihre eigenen Werte und die Werte anderer Menschen nachzudenken.»

Durch diese Art von Arbeit werden die disziplinären und methodischen Kompetenzen der BNE weiterentwickelt, einschliesslich des «Aufbaus von interdisziplinärem und multiperspektivischem Wissen», des «kritischen und konstruktiven Denkens» und vor allem des «systemischen Denkens».

Wir widmen der letztgenannten Fähigkeit etwas mehr Aufmerksamkeit, da die Mystery-Methode vor allem das systemische Denken fördert. Deren Anwendung wird von éducation21 wie folgt beschrieben:

  • Analyse und Verständnis linearer und nicht linearer Beziehungen, Abhängigkeiten und Interaktionen zwischen verschiedenen Menschen, unterschiedlichen Elementen eines sozialen Systems und der natürlichen Umwelt, sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene;
  • Umgang mit komplexen Themen, Analyse und Verständnis der Ursachen für die Mechanismen nicht nachhaltiger Entwicklungen.


Menschen, die in der Lage sind, systemisch zu denken, können Ereignisse von grosser und langfristiger Tragweite besser einschätzen und ihr eigenes Handeln daran ausrichten, weshalb dies als eine wichtige Kompetenz angesehen wird, die in der Schule entwickelt werden sollte. Die Entwicklung dieser Denkfähigkeit, bildet eine wesentliche Voraussetzung für ein gerechtes und nachhaltiges Gesellschaftsmodell.

Bezüge zum Lehrplan

Die Mystery-Methode eignet sich optimal für die Behandlung der sieben fächerübergreifenden BNE-Themen aus dem Lehrplan (Lehrplan21, 2016):

  • Politik, Demokratie und Menschenrechte
  • Natürliche Umwelt und Ressourcen
  • Geschlechter und Gleichstellung
  • Gesundheit
  • Globale Entwicklung und Frieden
  • Kulturelle Identitäten und interkulturelle Verständigung
  • Wirtschaft und Konsum

 

Im ersten Zyklus lernen die Schülerinnen und Schüler sich in der Welt zu orientieren. Die Themeninhalte sind deshalb mit unterschiedlichen fachdidaktischen Zugängen und Methoden anzugehen. Die Mystery-Methode bietet einen forschenden, spielerischen, sozialen und projektbasierten Zugang, welcher für diese Zielstufe besonders geeignet ist. Sie fördert aber vor allem den Aufbau überfachlicher Kompetenzen wie «reflektierendes und kritisches Denken» oder den Umgang mit Informationen (Lehrplan21, überfachliche Kompetenzen).

Überblick zum Ablauf und zur Planung

In der nachstehenden Tabelle ist der gesamte Ablauf des Projekts mit seinen einzelnen Phasen abgebildet : 

Vorbereitung des Unterrichtsprojekts

Auswahl des Themas

  • Es soll einen Bezug zum Alltag der Kinder haben
  • einen systemischen Denkansatz ermöglichen und verschiedene Perspektiven bieten (lokal/global; Vergangenheit/Gegenwart/Zukunft; Geschichte/Geografie/Wirtschaft usw.)
  • den Kenntnissen und Kompetenzen der Lehrperson entsprechen
  • mit Beiträgen zum aktuellen Zeitgeschehen dokumentiert sein

Konstruktion der Problemsituation

  • Wichtig ist eine komplexe Leitfrage
  • zwei Ereignisse, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben und zeitlich auseinander liegen
  • mehrere mögliche Lösungen

Einleitende Geschichte

  • Sie umfasst eine Figur, die um Hilfe bittet
  • bezieht Themen ein, mit denen sich die Schüler/innen identifizieren können
  • bezieht einen bekannten Ort ein
  • Wird geheimnisvoll und fesselnd erzählt

Durchführung des Unterrichtsprojekts

Aufstellung von Hypothesen

  • Zusammentragen der Vorkenntnisse zum Thema
  • Aufstellen erster Hypothesen

Hinweise  

  • Workshops
  • aktives Lernen
  • Tagebuch des Ermittlers: zur Nachverfolgung der ausgeführten Arbeiten, der Quellen und Lernprozesse

 

Gemeinsamer Austausch

  • Präsentation der Erkenntnisse
  • Aufbau von gemeinsamem Wissen
  • Diskussion in der Klasse
  • Auswahl der wichtigsten Erkenntnisse

Erkenntniskarten

  • Erstellung der Erkenntniskarten
  • Anfertigung einer Rekonstruktionskarte

Anfertigung des Abschlussplakats

  • Auswahl der relevanten Hinweise
  • Herstellung der Verbindungen zwischen den Hinweisen
  • Formulierung einer Lösung (einzeln oder in der Gruppe)
  • Gestaltung des Plakats

Präsentation und Besprechung der Ergebnisse

  • Präsentation der Ergebnisse
  • Selbstkorrektur seitens der Klasse
  • Aufzeigen der Weiterentwicklung der Vorkenntnisse

Tabelle: Planungsphasen

Im Folgenden wird ein Beispiel für die Gestaltung der verschiedenen Phasen vorgestellt. Die Tabelle dient zur Orientierung und hängt vom Alter und den Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler einer Klasse ab. In einigen Fällen wird innerhalb des Zyklus 1 eine Differenzierung zwischen Kindergarten (KG) und Primarschule (PS) vorgeschlagen, die von der Lehrperson frei übernommen werden kann.

Phasen

Zeitraum

Didaktische Vorgehensweise

Soziale und räumliche Organisation

Material

Einführung des Rätsels

40 Minuten Auffinden und Lesen des Briefes/Besuch der Figur Gesamter Klassenverband

Brief/Geschichte/Video der Figur

Diskussion und Verständnisfragen Gesamter Klassenverband  
Falls vorhanden, Phase der Materialerkundung Nach Ermessen der Lehrperson  
Formulierung von Hypothesen KG bei grossen Gruppen
PS in Gruppen von 3–4

Stift und Papier oder Aufnahmegerät

Workshop 1 zu den Hinweisen

45 Minuten

 

Erläuterung der Erfahrungen und der Gruppenorganisation

 

Gesamter Klassenverband Evt. Materialien für die Abgabe

Experimentier- und Lernphase

Kleine Gruppen, aufgeteilt nach Fähigkeiten, mit festen oder wechselnden Posten. Verschiedene Materialien
Tagebuch des Ermittlers
Bündelung und Auswahl der wichtigsten Entdeckungen Gesamter Klassenverband  
20 Minuten Konstruktion der Erkenntniskarte Aktivitäten für den 2. KG;
jedes Mal eine andere Gruppe (PS)
Plakat mit Bildern, Schrift oder Zeichnungen (wird später erstellt)

Workshop 2

dito

dito

dito

dito

Workshop 3

dito dito dito dito

...

... ... ... ...

Schlussfolgerung

45 Minuten

Erneutes Lesen der Frage und Erkenntniskarte

Gesamter Klassenverband

Erkenntniskarten

Verknüpfung der Hinweise und Formulierung einer Lösung In Kleingruppen Plakat, Fotos, Stifte, Klebstoff, Entdeckungskarten, Tagebuch des Ermittlers
Präsentation der Antwort vor Mitschüler/innen und Diskussion mit Gleichaltrigen Gesamter Klassenverband Jede Gruppe hat ihr eigenes Plakat
Aufnahmegerät
Tabelle: Allgemeines Beispiel für die Planung von projektbasierten Unterrichtseinheiten
Vorbereitung des Unterrichtsprojekts

Eine solide Kenntnis des gewählten Themas ist die Grundvoraussetzung für eine geeignete didaktische Umsetzung: Sie ist nötig, um die Problemsituation zu konstruieren, eine passende Ausgangsgeschichte zu finden und die Hinweise zu erstellen.

Wahl des Themas

Die Wahl an BNE-Themen ist sehr gross. Im Rahmen von BNE geht es nicht nur um den Themeninhalt, sondern auch darum, wie und mit welchen Mitteln und Zugängen sich die Schülerinnen und Schüler diesem Thema annähern. Um die Relevanz dieses Themas zu gewährleisten, braucht es eine Anknüpfung an die Alltags- und Lebenswelt der Kinder. Damit sie alle ihre Gedanken und Ideen anbringen können, braucht es Zugänge, die Transdisziplinarität ermöglichen und somit überfachlich gestaltbar sind.

Von éducation21 werden folgende Themenbereiche vorgeschlagen, die sich ausgezeichnet für den BNE-Unterricht eignen: Gesundheit, Demokratie und Menschenrechte, Diversität und interkulturelle Verständigung, Umwelt und natürliche Umwelt, Wirtschaft und Konsum sowie globale Entwicklung.
Ein wichtiges Kriterium, das als Orientierungshilfe dienen kann, ist die Möglichkeit, Verbindungen zwischen den zu behandelnden Inhalten und den Kindern herzustellen. Dabei wird einerseits eine Sichtweise eingenommen, um die Verbindungen zwischen lokalen und globalen Situationen und Prozessen zu erkennen und andererseits die Auswirkungen auf unser tägliches Leben zu erblicken. Die persönlichen Berührungspunkte fördern die Motivation mehr über dieses Thema zu erfahren.

Jüngeren Kindern fällt es noch schwer, sich im Raum zu orientieren. Je nach gewähltem Thema müssen allenfalls geeignete Massnahmen getroffen werden, um ihnen zu helfen, eine Verbindung zwischen zwei entfernt voneinander liegenden Orten herzustellen. Hier können eine Weltkarte oder andere Karten helfen.
In «Il caso di Ernesto» wird eine Aktivität vorgeschlagen, die auf einer Landkarte basiert, auf der Seen, Flüsse und das Meer eingezeichnet sind. Dies erleichtert den Kindern, die bestehenden Wasserverbindungen vom Luganersee bis zum Mittelmeer zu erkennen.

Wie findet man die richtige Idee? Diesbezügliche Überlegungen sollten wie immer von den Interessen der Schüler/innen ausgehen, da das Projekt auf diese Weise für sie einen Sinn ergibt und sie motiviert. Das Thema sollte im besten Fall auch mit den Kenntnissen und Kompetenzen der Lehrperson übereinstimmen.

Eine andere Möglichkeit ist der Bezug zu einem aktuellen Ereignis. Zeitungsartikel können dafür Anregungen bieten und haben den Vorteil, dass sie sich auf aktuelle Situationen beziehen, von denen die Kinder eventuell schon gehört haben oder die ihnen aus ihrem Umfeld bekannt sind. In diesem Fall ist es notwendig, einen massgeschneiderten Artikel für die Kinder zu erstellen und den Inhalt anzupassen.
Im Allgemeinen ist darauf zu achten, dass das gewählte Thema für die Kinder einen Sinn ergibt und einen Bezug zu ihrem Alltag hat.

Ist das Thema einmal gewählt, sei es die Erhaltung der biologischen Vielfalt, Rohstoffe oder die Regierungsform der Demokratie, wird zunächst eine Recherche durchgeführt, um das nötige Grundlagewissen zu erarbeiten, wie aus dem didaktischen Kommentar im Dokument «Mystery - Total verzuckert» (S. 6): hervorgeht. Dieses verbindet historische, geografische, ökonomische, kommerzielle Bezüge und geht auf Ernährung und Konsum ein.

Aufbau der Problemsituation

Wie oben ausgeführt, unterstützt die BNE globale Lernprozesse, und dank des Rätsels wird auch dem systemischen Denken besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Problemsituation wird durch eine Leitfrage herangezogen. Diese soll die Kinder in die Lage versetzen, über mögliche Zusammenhänge zwischen zwei scheinbar unterschiedlichen Ereignissen nachzudenken.

In «Il caso di Ernesto» gesteht ein Wissenschaftler den Kindern, dass er nicht versteht, wie zwei Ereignisse zusammenhängen und stellt die Klasse vor das Problem: «Warum könnte Ernesto, ein im Mittelmeer lebender Pottwal, krank werden und sogar sein Leben verlieren, wenn Luca seine Tetra Pak Getränkepackung in einem Park in Agno liegen lässt?». In diesem Beispiel findet das erste Ereignis in Agno statt und betrifft Luca, ein Kind mit einer Getränkepackung, während das zweite Ereignis im Mittelmeer stattfindet und von Ernesto erzählt, einem Pottwal, dem es nicht gut geht.

Zur Erleichterung des Denkprozesses sollten die Fragen so gestellt werden, dass die Kinder in der Lage sind, Hypothesen zu formulieren und komplexe Abläufe auf der Grundlage ihres eigenen Wissens herzustellen. Das bedeutet, dass die Leitfrage nicht zu trivial (sonst lässt sie keinen Raum für Rätsel und erlaubt es nicht, die für ihre Lösung notwendigen Prozesse zu aktivieren), aber auch nicht zu komplex sein darf (man muss eine Situation finden, die die Kinder verstehen können oder mit der sie bereits vertraut sind). Zu diesem Zweck kann es nützlich sein, über die folgenden Fragen nachzudenken:

«Ausgehend vo m Thema...
... wie kann ich ein Verhältnis zwischen lokalen und globalen Gegebenheiten und Prozessen aufzeigen?
... wie kann ich die Auswirkungen der Vergangenheit und der Gegenwart auf künftige Generationen thematisieren und die Schüler/innen befähigen, wünschenswerte Visionen für die Zukunft zu entwickeln?
... wie kann ich die ökologische, ökonomische und soziale Dimension und ihre Wechselwirkungen veranschaulichen?» (éducation21, BNE in Schule und Unterricht, S.6)

Wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass es nicht nur eine richtige Antwort gibt!

Der Schwerpunkt liegt vor allem bei der Reflexion, dem Lösungsfindungsprozess und der Art und Weise, wie die Gruppen ihre Antwort begründen. Eines der Ziele des Rätsels deckt sich mit dem Ziel der BNE, die Schüler/innen mit dem Wissen und den Fähigkeiten auszustatten, die sie benötigen, um in einer komplexen, von tiefgreifenden ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen geprägten Welt selbstständig zu denken und zu handeln (éducation21, BNE verstehen (2022), S. 6). Es geht also nicht darum, vorgefertigte Antworten zu geben, sondern das Denken in Richtung einer eigenen Reflexion zu begleiten und verschiedene Sichtweisen zuzulassen. Diese offene Methode braucht es, um das individuelle Verständnis zu fördern und das Dilemma der reinen Wissensvermittlung (Frontalunterricht) zu überwinden.

Die Einführung des Rätsels durch die Ausgangsgeschichte

Ist die Problemsituation erst einmal (re-)konstruiert, ist die Vorstellungskraft gefragt. Die Ausgangsgeschichte dient als Unterstützung zu einem gemeinsamen, fachlichen Verständnis und kann Neugier und Motivation für dieses Thema wecken. Der erzählerische Zugang ist ein sehr wichtiges Element für Kinder im ersten Zyklus. Er ermöglicht eine starke Beteiligung und gibt einen roten Faden und einen Sinn für die folgenden Aktivitäten.

Um einen erzählerischen Hintergrund zu schaffen, wird eine Figur erfunden, mit der sich die Kinder austauschen können (über Briefe, Videos, einen Besuch im Schulhaus). Üblicherweise meldet sich diese Figur bei der Klasse mit der Bitte, ihr bei der Lösung eines Problems oder einer Aufgabe zu helfen. Je nach Thema handelt es sich um ein Tier, eine fiktive Figur wie einen Wichtel oder einen Kobold, oder auch um eine tatsächlich existierende Person.

Damit die Kinder die Bitte der Figur nachvollziehen können, wird sie in einen realen Kontext eingebettet, zu dem die Schüler/innen einen Bezug herstellen können.

In «Il caso di Ernesto» werden sie von einer realen Person besucht: Der Wissenschaftler Daniele ist die erste Figur der Ausgangsgeschichte und trägt dazu bei, dem Rätsel einen Sinn zu geben. Eingebettet in eine Geschichte und mithilfe einiger Bilder legt Daniele den Kindern sein Problem dar. In seiner Erzählung lernen die Kinder die zweite Figur kennen: Luca, ein Kind wie sie, mit dem sie sich identifizieren können. Die dritte Figur ist der Pottwal. Er hat auch einen Namen, wodurch eine emotionale Bindung entsteht. Der Handlungsort ist der Park in Agno – der Gemeinde, in der die Kinder leben. Es handelt sich somit um einen Ort, der ihnen sowohl räumlich als auch emotional vertraut ist.

Man muss stets bedenken, dass es sich um ein Rätsel handelt. Es ist also wichtig, dass die Erzählung spannend und geheimnisvoll bleibt: Wie kommt es, dass dem Pottwal, wenn er nicht mehr gesäugt wird, nach einem unbestimmten Zeitpunkt unwohl wird?

Auswahl der Hilfsmittel

Die in diesem Leitfaden vorgeschlagenen Beispiele für Aktivitäten sind analog auf Papier ausgeführt, insbesondere auf Plakaten mit Texten und Zeichnungen. Die Beispiele können jedoch variiert und digital umgesetzt werden, um die Hypothesen, Erkenntnisse und Lernfortschritte der Kinder festzuhalten.


Foto: Ein Beispiel für ein Schülertagebuch unter Verwendung von «Der Fall Ernesto»

Mit einem Tablet und einem Programm wie Trello können Videos und Audiodateien auf einer gemeinsamen Seite abgelegt werden.
Die digitale Seite, auf die jederzeit zugegriffen werden kann, erleichtert es vor allem kleinen Kindern, sich neue Informationen zu merken, auch wenn sie noch nicht lesen können. Des Weiteren kann dadurch die Entwicklung technologischer Kompetenzen und ein bewusster Umgang mit IT-Geräten gefördert werden.

Das Projekt kann auch mit gemischten Medien durchgeführt werden, wobei der Lernfortschritt auf Postern festgehalten und das Tablet genutzt wird, um die Reflexionen und Entdeckungen zu vertiefen.

Die Wahl der Hilfsmittel erfolgt individuell und ist von der Lehrperson entsprechend ihren Zielen und Kompetenzen zu treffen.

Ablauf | Aufstellen von Hypothesen

Mithilfe der Ausgangsgeschichte wird der Klasse die Problemsituation vor Augen geführt, woraufhin die Schüler/innen ihre ersten Hypothesen formulieren sollen. Je nach Alter der Kinder oder den Merkmalen des Klassenverbands kann dies in grossen Gruppen (vorzugsweise im Kindergarten) oder in kleinen Gruppen geschehen.


Diese Phase ist besonders wichtig, weil sie allen die Möglichkeit gibt, ihre Ideen zu sammeln und ihre Vorkenntnisse zum Thema zu erkunden. Die Lehrperson sollte diese Gelegenheit nutzen, um nicht nur die ersten Ideen zur Lösung des Problems zu erfahren, sondern sich auch einen Überblick über das allgemeine Vorwissen der Schüler/innen zum vorgeschlagenen Thema zu verschaffen.
Die Lehrperson kann sich an den formulierten Hypothesen orientieren. Diese bieten eine Basis für die Weiterarbeit, da sich die Schüler/innen darauf beziehen. Die Hypothesen werden zuerst auf ein Plakat geschrieben und sind nachfolgend zu überprüfen.
Wenn die Lehrperson vom Vorwissen der Schüler/innen ausgeht, kann sie eine Brücke zwischen den Lebenserfahrungen und dem formalen Wissen schlagen, und am Ende des Unterrichtsvorhabens auf die ursprünglichen Darstellungen zurückgreifen, um Entwicklungen im Lernprozess zu erkennen.
In «Il caso di Ernesto» war eine der ersten von den Kindern aufgestellten Hypothesen, dass Lucas Tetra Pak Getränkepackung von Wind und Regen zu Ernesto getragen worden war.

Abaluf | Hinweise

Die Hinweise umfassen eine Reihe von Informationen, die von den Kindern gesammelt und zusammentragen werden. Diese Erkenntnisse beinhalten nützliches und interessantes Wissen über die untersuchten Figuren und können zur Lösung des Rätsels beitragen, indem sie die eingangs aufgestellte Hypothese bestätigen oder nicht.

Die Besonderheit dieser Methode besteht darin, dass die Klasse die Hinweise nicht als fertige Informationen erhält, sondern diese gemeinsam erarbeitet und entdeckt. Die Hinweise werden durch Erfahrungen und Workshops erarbeitet und bauen auf verschiedenen Aktivitäten auf. Eine weitere Möglichkeit, Hinweise zu erhalten, ist ein Treffen mit einer Fachperson, die sich für Fragen zur Verfügung stellt. Für Kindergartenkinder ist die Entwicklung von Kontakten mit der Umgebung der Schule eine gute Möglichkeit, sich der Aussenwelt zu öffnen.

Die Workshops werden hauptsächlich in kleinen Gruppen durchgeführt, die während des gesamten Projektes zusammenbleiben. Sie bestehen aus drei bis vier Kindern, die nach Fähigkeiten und Alter eingeteilt sind.
Die Anzahl der Hinweise variiert zwischen fünf und zehn, je nach Schulstufe und der zur Verfügung stehenden Zeit. Es ist wichtig, eine Mindestzahl von Hinweisen festzulegen, die ausreicht, um systemisches Denken zu fördern und eine Höchstzahl, um nicht zu viel Verwirrung zu stiften.
Im Kindergarten kann man mit mindestens fünf Hinweisen beginnen und nach und nach beurteilen, wie die Schüler/innen reagieren, wobei man bei der Gestaltung der Unterrichtssequenzen, die nach und nach hinzugefügt werden können, flexibel bleibt.

In dieser Phase wird als weiteres Instrument das Tagebuch des Ermittlers eingeführt. Dabei handelt es sich um ein Heft (oder ähnliches auch digitale Formen sind denkbar), in dem alle durchgeführten Arbeiten, die konsultierten Quellen und die Ergebnisse der einzelnen Gruppen festgehalten werden. Es wird in den Workshops und für die Experimente verwendet und darin können je nach Alter der Kinder Wörter, Zeichnungen und/oder Audio-/Videobeiträge dokumentiert werden.

Für jüngere Kinder können mehrere Bilder zur Verfügung gestellt werden, die sie ausschneiden und aufkleben können, um ihre Erfahrungen zu veranschaulichen, ebenso wie eine Zeichnung, neben die die Lehrperson einen diktierten Satz schreiben oder direkt aufzeichnen kann, was das Kind gesagt hat.

Dieses Tagebuch erfüllt einen doppelten Zweck: Einerseits ermöglicht es der Gruppe, ihre Arbeit zu dokumentieren und es als Hilfsmittel für die Reflexion zu verwenden, andererseits hilft es der Lehrperson bei der Bewertung des Lernfortschrittes

Im Folgenden finden Sie eine Liste der sieben Hinweis-Workshops, die in «Der Fall Ernesto» behandelt werden

  • Die Wal-Bibliothek: Wir erfahren etwas über einen Pottwal.
  • Wind und Regen: die Auswirkungen auf eine Getränkepackung.
  • Ich stehe auf der (Rohr-)Leitung: Wir rekonstruieren den Betrieb einer Kläranlage.
  • Was passiert mit dem Abfall? Ausflug zum Agno-Park und Treffen mit dem Gemeindearbeiter Francesco.
  • In einem Meer aus Plastik: Nicht jeder entsorgt Abfall, wir verstehen die Konsequenzen.
  • Mikroplastik: Vertiefung.
  • Wasserverbindungen: Wir entdecken die Verbindungen zwischen dem Luganersee und dem Mittelmeer.

 

Jeder Workshop kann mit unterschiedlichen Aktivitäten und zu unterschiedlichen Rahmenbedingungen durchgeführt werden. Wichtig ist, dass die Kinder eine aktive Rolle einnehmen und Zeit und Raum erhalten, um neues Wissen und Kompetenzen aufzubauen.

Im nächsten Kapitel werden einige Beispiele aufgelistet, die zeigen wie die Workshops entwickelt wurden.

 
Workshop: Die Wal-Bibliothek

Ziel dieses Workshops war es, den Pottwal Ernesto besser kennenzulernen und zu erfahren, wie er aussieht, wie gross er ist, was er frisst, wo er lebt oder wie er kommuniziert.
. Das Wissen konnten sich die Kinder über verschiedene Stationen aufarbeiten:

  • Sie haben sich Bilder von Pottwalen angesehen, um die physischen Merkmale zu erfassen und naturgetreu wiederzugeben, zunächst mit Bleistift, dann mit Buntstiften.
  • Erforschung der Grösse des Pottwals. Die Kinder mussten mit Hilfe einer Schnur und durch Zählen ihrer Schritte herausfinden, ob dieses Tier in die Eingangshalle der Schule passen kann.
  • Hinzuziehen einiger Bücher über Wale, in denen man herausfinden konnte, wovon sich diese grossen Meeressäuger ernähren.
  • Konsultation von wissenschaftlichen Abhandlungen zu einigen Kuriositäten von Pottwalen.
  • Sie sahen sich einen Film an, in dem sie Ernestos Lebensraum und seine Art, in einem Rudel zu leben, sehen konnten.

 

Aufgrund des grossen Interesses der Schüler/innen an diesem Thema wurde zu einem späteren Zeitpunkt vorgeschlagen, sich den Gesang eines Pottwals anzuhören.

 
Workshop: Wind und Regen

Um diesem Hinweis nachzugehen, haben die Kinder ein Experiment durchgeführt. Sie wollten herausfinden, welche Veränderungen die Tetra Pak Getränkepackung erfährt, wenn sie über längere Zeit den Witterungseinflüssen ausgesetzt wird. Dieser Workshop wurde auf der Grundlage einer der anfänglichen Hypothesen der Kinder konzipiert, nämlich dass Lucas Getränkepackung von Wind und Regen zu Ernesto getragen worden war.

Hierzu fand eine Diskussion in grosser Gruppe statt, in der festgestellt wurde, dass die Reise der Getränkepackung, wenn diese so stattgefunden hat, mindestens mehrere Monate gedauert haben müsste. Nach dieser Überlegung kam die Frage auf: «In welchem Zustand wäre der Tetrapak-Behälter am Bestimmungsort angekommen?». Um hierauf eine Antwort zu finden, beschlossen die Kinder, ein Experiment durchzuführen, um herauszufinden, wie sich die Getränkepackung mit der Zeit verändert, wenn sie verschiedenen Wetterereignissen ausgesetzt ist.

Jede Gruppe überlegte sich, wie sie das Experiment angehen wollte und füllte ein entsprechendes Blatt aus, in dem das benötigte Material aufgeführt und das vorgesehene Verfahren dargelegt wurde. Schliesslich stellten die Kinder Hypothesen darüber auf, wie sich die verschiedenen Materialien, aus denen die Verpackung besteht, im Laufe der Zeit verändern würden.

 

Foto: das laufende Experiment auf dem Schulgelände.

Jede Gruppe präsentierte ihre Ideen der Klasse. Anschliessend fand eine Diskussion statt, die zu einem gemeinsamen Experiment führte. Die Kinder beschlossen, dass sie eine ganze Getränkepackung und ein separates Stück davon (damit man die verschiedenen Schichten sehen konnte) über mehrere Wochen im Schulgarten beobachten wollen.

 
Workshop: Ich stehe auf der (Rohr-)Leitung

Eine andere anfangs aufgestellte Hypothese war, dass Lucas Tetra Pak Getränkepackung zu Ernesto gelangte, indem sie zunächst in eine Dole fiel, von da aus in den See gelangte und dann irgendwie im Meer landete. Es ergab sich folgende Diskussion: Wo landet das Wasser, das täglich in die Strassenschächte und Abläufen von Häusern, Schulen und allen anderen Einrichtungen in unserem Gebiet fliesst?

Eine erste Untersuchung ergab, dass das Wasser in die Kläranlage fliesst, deren Aufgabe es ist, das in den Abwasserkanälen gesammelte Wasser zu reinigen. Daraufhin wurde ein Experiment vorgeschlagen, bei dem eine Wasserprobe gereinigt werden sollte, deren Zusammensetzung dem Wasser entsprach, das aus den Abflüssen der Waschbecken der Schule entstammt.

Zunächst mussten sich die Kinder fragen, was alles in diese Abflüsse gelangen könnte, um dann die Proben vorzubereiten. Es entstanden folgende Vorschläge:

  • Wasser (aus dem Wasserhahn);
  • Seife (vom Händewaschen);
  • Erde (vom Händewaschen nach der Pause);
  • Sand (vom Händewaschen nach der Pause);
  • Wasserfarbe (vom Auswaschen der Pinsel nach dem Malen);
  • Öltropfen (vom Auswaschen der Brotdosen im Lehrerzimmer).

 

In Gruppenarbeiten versuchten die Kinder die Wasserproben zu analysieren und die darin enthaltenen Bestandteile aus dem Wasser zu filtern. Für die Experimente benutzten sie Untertassen, Kolben, Löffel, Pinzetten und Papierfilter.
Es folgte eine Diskussion im Plenum, bei der sich herausstellte, dass es niemandem gelungen war, seine Wasserprobe wieder völlig klar zu bekommen.
In den Experimenten waren alle Kinder fähig, die heterogeneren Bestandteile (wie Erde und Sand) zu trennen. Jedoch war niemand in der Lage Emulsionen (wie Wasserfarbe und Seife) zu trennen. Aus dieser Beobachtung ergaben sich zwei Fragen: Wie sind Kläranlagen aufgebaut? Wie reinigen sie das Wasser auch von den darin aufgelösten Stoffen?

 
Foto: Links das Experiment im Klassenzimmer, rechts die modellhafte Darstellung der Kläranlage mit Postern.


Jede Gruppe erhielt ein Plakat, auf dem der Umriss des Beckens einer Kläranlage aufgezeichnet war, sowie eine Beschreibung der Vorgänge, die darin ablaufen. Die Schüler/innen sollten ihr Plakat vervollständigen, indem sie die beschriebenen Vorgänge in das Becken zeichneten. Nachdem alle Plakate fertiggestellt waren, stellte jede Gruppe ihre Arbeit den anderen vor. Das Ziel dabei war, die einzelnen Vorgänge in die richtige Reihenfolge zu bringen. Die Gruppen konnten demnach die Funktionsweise der Kläranlage rekonstruieren, indem sie ihre Plakate verbanden.

Schließlich verfeinerte die Klasse ihr Wissen, indem sie herausfand, dass schmutziges Wasser früher in Seen und Flüssen landete, während es heute zuerst in die Kläranlage (IDA) geleitet wird.

Zusätzlich zur Arbeit im Klassenzimmer ist es sinnvoll, einen Besuch der Kläranlage der Gemeinde oder Region zu organisieren.

Ablauf | Gemeinsamer Austausch

Nach Abschluss jedes Workshops präsentieren alle Gruppen dem Rest der Klasse ihre Ergebnisse. Die Rolle der Mitschüler/innen in diesem Prozess ist sehr wichtig, auf diese Weise kann die Gruppe gemeinsam etwas lernen und jede/r Einzelne erhält die Möglichkeit, sich am Aufbau von Wissen zu beteiligen.

Nachdem alle Gruppen die Erfahrungen und Erkenntnisse ausgetauscht hatten, wurden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede eruiert. Bei Gruppen, die unterschiedliche Beobachtungen gemacht haben (wie im Fall des Baus der Kläranlage), wurde dies den anderen Gruppen ausführlich und anhand eines konkreten Beispiels erklärt, um das neu erworbene Wissen zu teilen. In dieser Phase konnten sich die Kinder von Station zu Station bewegen, um die Resultate, Prozesse und Entdeckungen der anderen anzuschauen.
Offene Lernsituationen wie Workshops ermöglichen es den Kindern, ihre eigenen Hypothesen aufzustellen, sie auszuprobieren und gegebenenfalls zu überarbeiten und zu verfeinern. Zusätzliche Hinweise dienen zur Orientierung und Wissenserweiterung und können in Beziehung zum bestehenden Wissen gesetzt, gesammelt oder gar verworfen werden.

Es ist wichtig die Zusammenarbeit mit anderen zu fördern (soziale Kompetenzen weiterentwickeln) und die gemeinsamen Ziele ins Zentrum zu stellen.

Dies ist auch der richtige Zeitpunkt, um zum ursprünglichen Plakat mit den Hypothesen zurückzukehren! Durch die neu gewonnenen Erkenntnisse und die Weiterentwicklung des Wissens kann es sein, dass einige Hypothesen verworfen werden, andere hingegen durch weitere Einzelheiten oder Feinheiten ergänzt werden.

 

Ablauf | Erkenntniskarten

Auf den Erkenntniskarten werden die wichtigsten Erkenntnisse jeder Aktivität gemeinsam festgehalten. Das kann schriftlich und/oder anhand von Zeichnungen erfolgen. Die Karten dienen dabei als Metapher und Gedächtnisstütze und werden darüber hinaus auch zur Formulierung der Lösung herangezogen.

Die Karten können im Klassenzimmer an einem Faden aufgehängt werden, der eine (noch implizite) Verbindung zwischen ihnen herstellt, oder sie können in einem benutzerfreundlichen digitalen Format zusammengeführt werden (z. B. mit Trello oder Miro). Es ist wichtig, die verschiedenen Erkenntnisse und Lernwege zu dokumentieren, um ein mitwachsendes Mindmap zu schaffen, das später der Reflexion und zum Überblick des eigenen Lernprozesses dient.

Beim gemeinsamen Austausch diktieren die Schüler/innen der Lehrperson die Informationen, die sie für wichtig erachten. Die Erkenntniskarten können von der Lehrkraft vorbereitet (siehe Beispielfoto) oder von der Klasse zu einem späteren Zeitpunkt angefertigt werden.
Im Kindergarten kann die Erstellung der Karten (durch Bilder, Zeichnungen, Audio-/Videoaufnahmen oder Diktate) von den Kindern des zweiten Kindergartenjahres während ihrer Eigenzeit durchgeführt werden. In der Grundschule können verschiedene Gruppen von Kindern abwechselnd daran arbeiten.

Als Beispiel führen wir die Informationen auf, die von den Kindern für die Erkenntniskarten ausgewählt und daher als am wichtigsten erachtet wurden, die während der drei vertiefenden Aktivitäten im Hinweise-Kapitel entstanden sind:

Die Bibliothek der Walfische:
 

(1) Der Pottwal ist 18 Meter lang.
(2) Der Pottwal kann seinen Atem bis zu zwei Stunden lang anhalten.
(3) Pottwale fressen Kalmare, manchmal sogar Riesenkalmare.

Wind und Regen:
 

(1) Karton verrottet relativ schnell, während es bei Kunststoff und Aluminium länger dauert.

Ich stehe auf der (Rohr-)Leitung
 

(1) Es ist leicht, verschmutztes Wasser von Feststoffen zu reinigen, schwieriger ist es bei darin gelösten Stoffen.
(2) Das nützlichste Instrument zur Reinigung des Wassers war der Filter.
(3) Das Reinigungsgerät reinigt das Wasser in mehreren Stufen.
(4) Wasser zu verschmutzen ist einfach, es wieder zu reinigen, ist schwieriger.

Tabelle: Beispiel für eine Zusammenfassung der wichtigen Hinweise.

 
Foto: Erkenntniskarten des Workshops «die Bibliothek der Walfische».


 

Ablauf | Gestaltung des Abschlussplakats

Nachdem alle Aktivitäten zu den Hinweisen durchgeführt wurden, müssen die einzelnen Gruppen mithilfe der Erkenntniskarten die Leitfrage beantworten. Dies kann in Einzelarbeit auf einem Blatt oder in Kleingruppen auf einem Plakat oder einem digitalen Medium erfolgen. Die Beantwortung auf einem Blatt ist eher für ältere Kinder geeignet. Die verschiedenen Hinweise sind auf der Karte aufgelistet und jedes Kind schreibt seine Antwort auf und begründet diese. Das liefert Auskunft darüber, was und wie viel vom thematischen Inhalt verstanden wurde und gibt der Lehrperson konkrete Anhaltspunkte für eine Bewertung.

Die zweite Vorgehensweise ist eher für den Kindergarten geeignet und wird in Kleingruppen durchgeführt. In einer kleinen Gruppe erhalten alle die Möglichkeit zur Mitarbeit. Jede Gruppe bekommt ein farbiges Plakat, Filzstifte, Klebstoff und die Erkenntniskarten (Kopien oder Fotos). Die Kinder sollen miteinander diskutieren und entscheiden, welche Hinweise sie zur Lösung des Rätsels verwenden und wie sie diese zueinander in Beziehung setzen wollen.

Wenn noch kein Mitglied der Gruppe schreiben kann, kann die Lösung des Rätsels anhand von Zeichnungen erklärt werden, oder die Lehrperson kann die Antwort kurz auf das Plakat schreiben oder digital zusammenfassen. Es ist wichtig, dass jedes Mitglied der Gruppe die Möglichkeit hat, seine Ideen zu äussern und dass der Name von allen auf dem Endprodukt erscheint.


Bild: Finale Karten, die bei «Der Fall Ernesto» während eines Fernunterrichts verwendet wurden.

     

Ablauf | Präsentation und Besprechung der Ergebnisse

Der grosse Moment der Auflösung ist gekommen! Jede Gruppe präsentiert der Klasse mithilfe ihres Plakats ihre Lösung der Leitfrage. Das sollte in einer Atmosphäre des gegenseitigen Zuhörens und der Akzeptanz erfolgen. Nach der Präsentation können die Mitschüler/innen Fragen stellen.
Es kann vorkommen, dass die Gruppen unterschiedliche Verbindungen zwischen den Karten herstellen und zu unterschiedlichen Lösungen kommen. Es gibt keine einheitliche Lösung oder Antwort zur Leitfrage.

Es wird nicht die Antwort selbst bewertet, sondern der Einsatz, der zur Lösung des Rätsels geleistet wurde. Die Rolle der Lehrperson besteht darin, bei der Diskussion innerhalb der Gruppe zu vermitteln. Sie sollte dabei die Arbeit und Beteiligung jedes Einzelnen würdigen und fördern, indem sie die Entwicklung von der ersten Hypothese bis zur endgültigen Antwort aufzeigt.

Die Förderung von systematischem Denken führt nicht automatisch dazu, dass die Klasse im Stande ist dieses Rätsel lösen zu können.
Beim «Der Fall Ernesto» löste ein Kind den Fall mit folgender Antwort:
«Ernesto hat den Saft getrunken, den ihm seine Mutter gegeben hat, und er trinkt immer den Saft, und dieses Mal hat sie ihm den falschen Saft gegeben. Ernesto hat ihn getrunken und wurde krank.»
Diese Antwort enthält weder nützliche Informationen noch stellt sie Verbindungen zwischen dem Wal und dem Kindergartenkind her. Die einzige zutreffende Bemerkung ist die Ernährungsbeziehung, die sich zwar nicht auf die Getränkepackung, sondern auf deren Inhalt konzentriert.

Bei einer wenig durchdachten, unstrukturierten Antwort kann die Lehrperson diese Lösung auch spontan von der Klasse korrigieren lassen. In diesem Fall diskutieren die Schüler/innen selbst über die Plausibilität der Lösung ihrer Klassenkameraden und begründen ihre Argumentation mithilfe der Erkenntniskarten.

In dieser Phase kommt der Lehrperson eine wichtige Vermittlerrolle zu: Sie regt eine Diskussion an, worin das Gelernte mit eigenen Argumenten wiedergegeben werden kann. Geben die Kinder zu wenige fachliche Inhalte wieder oder entfernen sich vom behandelten Thema, so interveniert die Lehrperson und gibt Hinweise und Ergänzungen.

Ablauf | Bewertung

Die Bewertung ermöglicht es der Lehrperson, den Lernfortschritt und die Entwicklung der Kompetenzen der Schüler/innen zu verfolgen. Wie bereits erwähnt wurde, wird durch die Anwendung der Mystery-Unterrichtsmethode eine komplexe Denkfähigkeit – das systemische Denken – bei kleineren Kindern gefördert.

In diesem Zusammenhang haben Biggs und Collins (1982) die SOLO-Taxonomie entwickelt, die fünf Stufen der Bewertung von Antworten auf der Grundlage ihres Abstraktionsgrades und ihrer Komplexität ermöglicht.

Antwortniveaus

Allgemein

Unstrukturierte Antwort

Die Antwort geht an der Leitfrage oder der Aufgabe vorbei. Es handelt sich höchstens um eine Art Wiederholung der Frage. Die Schüler sind nicht in der Lage, die Informationen mit der Frage oder dem Problem auf sinnvolle Weise zu verbinden.

Einfache Antwort

Eine Information, die für die Leitfrage oder Aufgabe wichtig ist, wird auf beschreibende Weise in der Antwort verarbeitet. Es wird keine Schlussfolgerung hinsichtlich der Brauchbarkeit oder der Wichtigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen gezogen.

Mehrschichtige Antwort

Für die Beantwortung der Frage oder für die Aufgabe werden zwei oder mehr Informationen verwendet. Die Beziehung zwischen den Informationen wird nicht ausgearbeitet. Weder die Art des Zusammenhanges zwischen den Informationen noch die sich daraus ergebenden Auswirkungen werden behandelt.

Zusammenhängende Antwort

Hier werden die Informationen zusammenhängend und konsequent miteinander verbunden. Die Schüler kommen zu einer Schlussfolgerung, bei der mehrere der zur Verfügung gestellten Informationen berücksichtigt und aufeinander bezogen werden. Dies führt zu einer plausiblen Erklärung und einem in Teilen noch unvollständigen Erklärungsmodell.

Ausführliche abstrakte Antwort

Hier werden zusätzliche Informationen zur Lösung der Aufgabe verwendet, die nicht im Material enthalten waren. Es werden abstrakte, über den Einzelfall hinausreichende Konzepte und Zusammenhänge formuliert. In der Regel werden mehrere widersprüchliche Hypothesen aufgestellt und argumentativ gegeneinander abgewogen. So entsteht im Idealfall ein theorieähnliches Beschreibungs- und Erklärungsmodell zum Fallbeispiel.

Tabelle: Klassifizierung der Antworten für die Mystery-Bewertung (Biggs/Collins, SOLO-Taxonomy, 1982)

Um die endgültigen Antworten optimal auswerten zu können, müssen für jede Kategorie Indikatoren formuliert werden, die an den Unterrichtskontext angepasst werden. Um ein konkretes Beispiel zu geben, wurden im «Fall Ernesto» für die Kategorie «Unstrukturierte Antwort» folgende Indikatoren gewählt:

  • Die Frage wird nicht beantwortet.
  • Die Antwort besteht aus Wiederholungen zur Frage.
  • Keine sinnvolle Verbindungen zwischen Frage und Problem.

 

Die gleiche Methode kann bei Kindergartenkindern angewandt werden, wobei statt der schriftlichen die mündlichen Leistungen bewertet werden. Um diesen Schritt zu erleichtern, empfehlen wir, die Plakatpräsentation als Video- oder Audioaufnahme festzuhalten.

Das Tagebuch des Ermittlers kann zur Vervollständigung der Bewertung nützlich sein, da man so die Argumentation der einzelnen Gruppen nachverfolgen kann, bevor die Diskussion mit dem Rest der Klasse stattfindet.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es mit diesem Ansatz möglich ist, die Komplexität einer Reihe von Situationen herauszuarbeiten. Zudem kann er den Anstoss zu einem umfassenderen Unterrichtsprojekt geben.

Mysterys können zu jedem beliebigen Zeitpunkt während des Schuljahres als spannende Einführung in ein Thema eingesetzt werden, wobei jede Lehrperson selbst entscheidet, wie sie diese in ihre Planung integriert.

Der Moment, in dem die Kinder ihren Mitschüler/innen ihre Lösungen präsentieren, ist das Ende der Reise. Es ist sinnvoll, eine Folgeaktivität zur Vertiefung der Reflexion anzubieten.

Nachdem sich die Schüler/innen gute Kenntnisse zum Thema und zur umweltbedingten oder sozialen Problematik angeeignet haben, sollten sie bei der Suche nach möglichen Lösungen unterstützt werden:
Welche Veränderungen sollten vorgenommen werden? Was kann jeder Einzelne von uns bewirken? Wer sollte noch seinen Teil dazu beitragen?

Durch die Mystery-Methode können die Schüler/innen zahlreiche beeinflussende Faktoren verstehen und so eine tiefgreifende und systemische Reflexion auf dem Weg zu einer gerechten und nachhaltigen Welt durchführen. Auf diese Weise werden sie vom Denken zum Handeln und Verändern angeleitet.

Weiterführendes

Nachfolgend sind die Quellen aufgeführt, die für die Erstellung dieser Arbeit verwendet wurden, sowie weitere Quellen zur Vertiefung und Variierung der Arbeit mit Rätseln.

Hauptquellen

 
Weitere Beispiele für die Zyklen 2 und 3

 
Weiterführende Informationen von éducation21

 

Die auf dieser Seite angegebenen Links wurden im Februar 2024 überprüft.

Leitfaden Mystery

Das Wesentliche für die Arbeit mit der Mystery-Methode im ersten Zyklus aus einer Hand


Zum Herunterladen (PDF | 13 Seiten)

 
Impressum

Redaktion: Soraya Romanski
Übersetzung und Anpassung: 24Translate und Angela Thomasius
Layout: Roger Welti
Bilder: Agata Mariotti (aus: „Il caso di Ernesto”, DFA-SUPSI, 2020)
© éducation21, Bern, Januar 2024

 

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Kontakt

Angela Thomasius
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Expertise Lernmedienentwicklung
+41 31 321 00 31