Der Kindergarten von Orselina entdeckt den Wald in jeder Jahreszeit © Lara Bonetti
Eine bereichernde Erfahrung für alle – Kinder, Eltern und die Lehrpersonen selbst: So erlebte es die Kindergartenklasse von Tiziana Sciaroni in den vergangenen beiden Schuljahren. Die Lehrerin hatte 2013 eine Weiterbildung an der Fachhochschule der italienischen Schweiz (SUPSI) besucht: Das Naturzentrum Vallemaggia führte zusammen mit dem WWF der Kurs «La casa del signor bosco» (das Haus von Herrn Wald) durch. Die gut ausgebildeten Leitungspersonen und das Gefühl von Ruhe und Stille, welches der Wald vermittelte, überzeugten die Lehrerin von diesem Ansatz. Sie beschloss, sich mit ihrer eigenen Klasse auf einen Versuch einzulassen.
Im ersten Jahr (2016/17) wurde Tiziana von der Umweltbildnerin Silvia Bernasconi unterstützt, die sie einmal pro Monat in den Wald begleitete. Bei allen anderen Ausflügen bezog die Lehrerin die Eltern ein. Dank der Unterstützung eines Vaters, der Jäger ist, konnten die Kinder zum Beispiel nach einem heftigen Schneefall Tierspuren bestimmen.
Im zweiten Jahr (2017/18) befanden sich drei Kinder mit besonderen Bildungsbedürfnissen in der Klasse. Deshalb erhielt die Lehrerin Unterstützung von der schulischen Heilpädagogin Lara Bonetti. Angesichts der neuen Anforderungen wurden die Eltern auf eine andere Weise einbezogen: Einerseits wurden sie gebeten, das Picknick für den Dienstag vorzubereiten. Andererseits achteten sie dank guter Information stets darauf, dass die Kinder bei gutem wie bei schlechtem Wetter passend angezogen waren. Zudem konnten sie an den Ausflügen selber teilnehmen. All dies trug dazu bei, dass die Eltern begeistert mitwirkten und nie Widerstand aufkam.
«Anfängliche Bedenken, die mit einem Besuch der Klasse draussen im Wald verbunden waren, legten sich rasch».
Da jeweils beide Lehrerinnen zusammen anwesend waren, konnten neben den normalen Aktivitäten, die auf alle Schüler/-innen und ihre Bedürfnisse zugeschnitten waren, spezifische Aktivitäten zur Förderung der Inklusion durchgeführt werden. So wurden alle Kinder in ihren Kompetenzen gefördert und jene Fähigkeiten speziell betont, die für alle wichtig sind. Dem Wald kam dabei eine besondere Rolle zu, denn er förderte die Zusammenarbeit unter den Kindern und das Entstehen neuer Freundschaften: «Wenn ich zum Beispiel einen Ast nicht alleine tragen kann, muss ich andere um Hilfe bitten», erklärt Lara. Die anfänglichen Bedenken, die mit einem Besuch der Klasse draussen im Wald verbunden waren, legten sich rasch, da die Kinder gut mitmachten. Sie verstanden die Bedeutung der Regeln gut, die von ihnen verlangten, dass sie festgelegte Grenzen (die im Wald nicht durch Zäune oder Mauern vorgegeben sind) einhielten, Aufforderungen befolgten und die Umwelt schützten. Dank der Bewegung im Freien und der Möglichkeit eine neue Umgebung zu erkunden, lernten die Kinder, frei zu sein und sich selbst zu organisieren. Zudem konnten sie sich im Wald austoben und auch einmal laut sein. Vor allem lebhafte Kinder profitierten davon. Die unstrukturierten Materialien, welche die Natur bot, förderten zudem die Kreativität. Die Begegnung mit der Natur eröffnete den Kindern eine Welt voller Entdeckungen, in der sie von der Natur selbst lernen konnten. Der Wald wurde zum Freund, der keinesfalls verpasst werden durfte!