Wie BNE zum Aufbau einer Friedenskultur beitragen kann

 

Text: Isabelle Bosset

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BNE im Dienste einer Friedenskultur

Frieden ist aktueller denn je, bleibt aber schwer zu fassen. Was bedeutet Frieden, und warum sollte dieser Begriff mit BNE verknüpft werden? Dieser Artikel beschäftigt sich mit Verbindungen zwischen diesen beiden Themen und schlägt drei Ansätze vor, die zu Frieden führen können.

Frieden: ein universelles Anliegen

Frieden weckt Gedanken an Wohlergehen, Wohlstand und Freiheit. Über alle Zeiten und Kulturen hinweg hat er Dichterinnen, Künstler und Philosophinnen inspiriert und als Orientierung für politisches Handeln gedient. Forschende zeigen auf, unter welchen Bedingungen Frieden erreicht werden kann, und untersuchen ihn anhand so unterschiedlicher Themen wie Klima oder Gender. Die Beschäftigung mit Frieden scheint universell, transversal und multidimensional zu sein.

Im Wörterbuch (Larousse, undatiert) wird Frieden als Zustand definiert, der im Gegensatz zu Krieg und Konflikt steht. Ein flexibleres Verständnis dieses Begriffs eröffnet neue Möglichkeiten, nicht zuletzt für die BNE. Frieden kann als ein Ideal betrachtet werden, das durch einen dynamischen Prozess angestrebt wird. Die Unterscheidung zwischen «negativem» und «positivem Frieden» (Galtung, 1964) ermöglicht es zudem, die verschiedenen Stufen zwischen diesen beiden Polen zu betrachten.

Arten von Frieden (Galtung, 1964)

Verbindungen zwischen Nachhaltigkeit, nachhaltiger Entwicklung, BNE und Frieden

Frieden und Nachhaltigkeit sind beides Ideale. Bei der Nachhaltigkeit ist es die nachhaltige Entwicklung, die einen Weg vorschlägt, um sich diesem Ideal mit Zielen und in Etappen zu nä­ hern. Aber wie erreicht man Frieden? Für Ervin Staub gibt es zwei Möglichkeiten: zum einen die «Versöhnung», die auf einen Konflikt folgt, und zum anderen den Aufbau einer «Friedenskultur», vor allem durch Bildung und Ausbildung, um «Inklusion, Fürsorge und Zivilcourage» (eigene Übersetzung)  zu fördern (Staub 2003b, zitiert in Hymel & Darwich, 2018, S. 2).

Wie aber sehen die kausalen Beziehungen zwischen Frieden und Nachhaltigkeit aus? Ist es der Frieden, der zur Nachhaltigkeit bei­ trägt, oder umgekehrt? Aus der Perspektive der Agenda 2030 ist Frieden eine Voraussetzung für Nachhaltigkeit (vgl. SDG Nr. 16, «Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen»). Vor dem Hintergrund ökologischer und sozialer Krisen (Block & Paredis, 2019) und der begrenzten Ressourcen, die es gerecht zu verteilen gilt, ist hingegen Nachhaltigkeit die Vorbedingung für Frieden. Eine entscheidende Rolle kommt schliesslich der Bildung zu, die von der UNESCO als Fundament des Friedens bezeichnet wird und diesen mit nachhaltiger Entwicklung verbindet.

Das nachfolgende Schema veranschaulicht dies:

Angepasst aus «Nachhaltigkeit, Nachhaltige Entwicklung und Bildung für Nachhaltige Entwicklung», Brönnimann, C., 2022, unveröffentlicht.

Beitrag der BNE zu einer Friedenskultur

Wir schlagen drei Ansätze vor:

1. Whole-School-Ansatz (WSA) anwenden

Der WSA ist ein möglicher BNE­-Ansatz, der alle Akteure der Schule und der Gemeinschaft sowie sämtliche Aspekte des Schullebens vereint (Schärer & Bosset, 2021). Er beruht auf der Beteiligung aller, strebt eine Zusammenarbeit sowohl innerhalb der Schule als auch mit externen Partnern an und entspricht damit dem SDG Nr. 16, das eine Zusammenarbeit innerhalb von Institutionen verlangt.

Die Werte, die die Schule vermitteln will, sind in die schulischen Strukturen integriert undwerden nicht nur gelehrt, sondern auch gelebt. Die Schülerinnen und Schüler beteiligen sich an Entscheidungen und am Schulleben. So können sie BNE-­Kompetenzen erwerben, die sich mit friedensfördernden sozial­emotionalen Kompetenzen überschneiden (Hymel & Darwish, 2018). Ebenso entwickeln sie ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl, das dem Lernen und der Friedenskultur zugutekommt.

éducation21 schlägt ein konkretes Instrument für den WSA vor.

 2. Klassenrat einbeziehen

Der Klassenrat ist ein effizientes Mittel zur Bewältigung und Prävention von Konflikten (vgl. negativen und positiven Frieden). Er ermöglicht es jedem und jeder Einzelnen, zur Entwicklung des Zusammenlebens und eines Zugehörigkeitsgefühls beizutragen und den Zusammenhalt der Klasse mitzugestalten (Gfeller, 2022, S. 30).

Im Kontext von BNE und Frieden fördert der Klassenrat Kompetenzen wie Zusammenarbeit, Rücksichtnahme auf andere und Dezentrierung vom eigenen Selbst. Die Perspektive wechseln zu können, ist für Salomon (2004) grundlegend, da jeder Konflikt darin wurzelt, dass es unterschiedliche Sichtweisen zu einem Thema gibt: «Das ultimative Ziel der Friedenserziehung ist es, den Standpunkt des Anderen anerkennen zu lernen» (S. 123).

3. Alternative Geschichten erfinden

Mit Blick auf die Nachhaltigkeit müssen wir uns alternative Geschichten für die Menschheit ausdenken, die nicht auf Konsumdenken und Hyperkapitalismus basieren: den Hauptverantwortlichen für die Krisen, mit denen wir konfrontiert sind (Curnier, 2021). Wir müssen uns andere Arten, zu leben und sich zu entfalten, vorstellen, um «die Welt neu zu verzaubern» (S. 129).

Vorstellungskraft, die optimistische Vision der BNE und der «positive Frieden» helfen gemeinsam, eine Friedenskultur aufzubauen. Die Schülerinnen und Schüler wer­ den meist anhand eines Themas wie Frieden, Kooperation, Solidarität dazu ermutigt, sich in Szenarien einer wünschenswerten Zukunft zu versetzen, die dann gemeinsam diskutiert werden (Müheim, Künzli David, Bertschy & Wüst, 2014).

Literatur

 

Block, T. & Paredis, E. (2019). Four misunderstandings about sustainability transitions. In: K. Van Poeck, L. Östman & J. Öhman (Eds), Sustainable Development Teaching (70–82). Oxon: Routledge.

Curnier, D. (2021). Vers une école éco­logique. Lormont: Le Bord de l’Eau.

Galtung, J. (1964). An Editorial. Journal of Peace Research, 1 (1), 1–4.

Gfeller, C. (2022). Le conseil de classe : raisons de sa mise en place dans les classes actuelles. L’Educateur, 3, 30–31.

Hymel, S. & Darwish, L. (2018). Building peace through education. Journal of Peace Education, 1–13.

Larousse (undatiert). Aufgerufen am 25. Juli 2022.

Müheim, V., Künzli David, C., Bertschy, F. & Wüst, L. (2014). Grundlagenband. Herzogenbuchsee: Ingold Verlag.

Salomon, G. (2004). Comment: what is peace education? Journal of Peace Education, 1 (1), 123–127.

Schärer, C. & Bosset, I. (2021). Sagen, was man tut, und tun, was man sagt. Skilled, 2, 8.

 


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